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Polen: Wahl zwischen Vaterfigur und Vermittler

Nur zwei Wochen nach der Parlamentswahl werden die gut 30 Millionen wahlberechtigten Polen am kommenden Sonntag schon wieder zu den Urnen gerufen, diesmal zur ersten Runde der Präsidentenwahl.

Sollte dabei kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erringen, fällt die Entscheidung in einer Stichwahl am 23. Oktober. Es steht schon beinahe fest, dass die beabsichtigte Regierungskoalition der konservativen Parteien PiS (Recht und Gerechtigkeit) und PO (Bürgerplattform) auch den Präsidenten stellen wird. Die Frage ist nur: Wird diesmal wieder die nationalkonservative PiS mit ihrem Kandidaten Lech Kaczynski oder doch Donald Tusk von der liberalkonservativen PO die Nase vorn haben?

Die Umfragen zeigen seit Monaten einen stabilen Vorsprung für Tusk, aber schon bei der Parlamentswahl holte die PiS erst in den letzten Tagen vor der Wahl auf. Vor allem der 56-jährige Lech Kaczynski, Oberbürgermeister von Warschau, brachte Schärfe in den Wahlkampf. Mit dem Slogan „Ein starker Präsident, ein ehrliches Polen“ präsentierte er sich als Vaterfigur, die für Recht und Ordnung sorgen und sich auch um die Armen kümmern werde.

Seine Attacken gegen Tusk fielen unerwartet heftig aus. Er stellte den Konkurrenten gekonnt als kühlen Anwalt der Reichen dar. Von vielen Kommentatoren wird Kaczynski als begabter Populist beschrieben, jüngstes Beispiel dafür ist seine wohlwollende Aussage für die in Polen populäre Wiedereinführung der Todesstrafe. Dabei bemüht sich Kaczynski auch um die Stimmen des nationalkatholischen Lagers und nahm die Unterstützung des umstrittenen Radiosenders „Radio Maryja“ gerne an.

Der 48-jährige Donald Tusk dagegen möchte als Präsident vor allem die Rolle des Repräsentanten und Vermittlers zwischen partikularen Interessen spielen – ähnlich wie der amtierende Aleksander Kwasniewski. Er setzte lange auf eine rein inhaltliche Auseinandersetzung und präsentierte sich als Liberaler – mit einer transparenten Politik, die auf die Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und gute Beziehungen sowohl innerhalb der EU als auch zu den USA ausgerichtet ist.

Die Angriffe von Kaczynski zwangen ihn jedoch, seinen ursprünglichen Wahlslogan „Ein Mensch mit Prinzipien“ zu ändern. Mit „Lass uns stolz auf Polen sein“ versucht nun auch er, patriotische Gefühle anzusprechen. Tusk ist seit langem mit der Vorsitzenden der deutschen CDU, Angela Merkel, befreundet. Die restlichen verbliebenen Kandidaten spielen in der Diskussion eine untergeordnete Rolle. Der selbsternannte „Bauernführer“ Andrzej Lepper von der Partei Samoobrona (Selbstverteidigung), der eigentlich dem nationalistischen Lager zugerechnet wird, will mit traditionell linken Themen punkten. Denn Marek Borowski von der SdPl (Sozialdemokratie Polens) schaffte es nicht, dieses Wählerklientel zu überzeugen.

Außerdem stehen der ehemalige Landwirtschaftsminister Jaroslaw Kalinowski von der Bauernpartei PSL und die Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes PKPP, Henryka Bochniarz – Kandidatin der liberalen PD (Demokratische Partei) – zur Wahl. Wlodzimierz Cimoszewicz von der Noch-Regierungspartei SLD (Bündnis der Demokratischen Linken) zog seine Kandidatur ebenso zurück wie Maciej Giertych von der nationalkatholischen LPR (Liga Polnischer Familien).

Es ist schwer abzuschätzen, welche Auswirkung die Parlamentswahl auf das Ergebnis am Sonntag hat. Einerseits gibt der Sieg der PiS ihrem Kandidaten Lech Kaczynski einen gewissen Rückenwind, denn er zeigt, dass die Partei mehr politischen Instinkt besitzt als ihr künftiger liberaler Koalitionspartner. Andererseits trat Lech Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw als PiS-Spitzenkandidat zur Parlamentswahl an – und die Polen dürften die ganze Macht nur ungern in die Hände einer einzigen Familie geben.

Diesen Effekt milderte die PiS ab, indem sie statt Jaroslaw Kaczynski den Wirtschaftsexperten Kazimierz Marcinkiewicz als Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten nominierte. Der Wahlkampf um den Präsidentensessel machte Koalitionsverhandlungen jedoch bisher weitgehend unmöglich. Die Wahllokale sind am Sonntag von sechs bis 20 Uhr MESZ geöffnet. Der Wahlkampf endet schon am Freitagabend – am Samstag gilt die in Polen gesetzlich geregelte Wahlruhe.

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