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Polen: Präsidentenwahlen am Sonntag

Der Wahlkampf vor dem großen Showdown um das Amt des polnischen Präsidenten am Sonntag geht ins Finale. Die Spitzenkandidaten gehen bei ihren letzten Auftritten in der Menge zur Sache. "Für uns zählen nicht nur die Reichen."

“Unsere Macht ist nur gefährlich für Skandalbrüder, Diebe und Mörder!”, donnert etwa Lech Kaczynski von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dem Menschenauflauf im pommerschen Bialogard entgegen.

35 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht in der Geburtsstadt des abtretenden Präsidenten Aleksander Kwasniewski, einem traditionell linken Wahlbezirk. Doch Polens Linke ist seit dem Ausscheiden ihres Kandidaten in der ersten Runde heimatlos. Umso lieber hört man sich nun die sozialen Versprechen aus dem Munde des rechtskonservativen Präsidentschaftskandidaten Kaczynski an. Die Gesundheitsversorgung soll wieder zentralisiert und direkt vom Staatsbudget aus bezahlt werden, ein aufwendiges Wohnbauprogramm Arbeitsplätze schaffen, und so weiter.

Kaczynski hat einen vollen Sack von Allerweltsheilmitteln – darunter auch die Todesstrafe – und mit ihm reist er in den letzten Tagen vor der Stichwahl kreuz und quer durchs Land. Seit Dienstag spürt er dabei deutlichen Rückenwind, denn der Drittplatzierte der ersten Runde, der radikale Bauernführer Andrzej Lepper, hat sich öffentlich für Kaczynski ausgesprochen. Es gilt Polen vom Liberalismus zu retten, begründete Lepper und empfahl seinen gut zwei Millionen Wählern diesmal ihr Kreuzchen beim Namen Lech Kaczynski zu machen. In Hinterzimmer-Verhandlungen hat ihm Kaczynski offenbar den Vize-Parlamentsvorsitz sowie einen neuen Nationalbankpräsidenten versprochen.

Noch bekleidet diesen Posten Leszek Balcerowicz – ein weltweit anerkannter liberaler Wirtschaftsprofessor, der als Vater der polnischen Schocktherapie Anfang der neunziger Jahre gilt. Lepper kämpft seit Jahren gegen Balcerowicz. Kaczynski ist offenbar jeder Teufelpakt recht, wenn er seinen Machtbestrebungen dient. Schon bei den Parlamentswahlen hatte seine Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit dem rechtskatholischen, teils anti-semitischen „Radio Maryja“ angebandelt. Seitdem sind Lech Kaczynski die Stimmen von Ultra-Katholiken und Rechtsradikalen gewiss.

Rechtsradikale Kreise innerhalb der PiS haben Donald Tusk zu Beginn der zweiten Runde unfreiwillig auch das größte Wahlgeschenk gemacht. Tusks Großvater hatte Kaczysnkis Wahlkampfmanager verlauten lassen, habe sich im Zweiten Weltkrieg als Freiwilliger bei der Deutschen Wehrmacht gemeldet. Kein Wunder, dass der Enkel heute so Deutschland-freundlich sei, so Stabschef Jacek Kurski weiter.

Doch aus dem Vaterlandsverräter Tusk wurde in der Folge ein angeschwärzter, guter Patriot, denn – wie sich herausstellte – war sein Großvater zum Eintritt in die Wehrmacht gezwungen worden und bald darauf desertiert, um sich der polnischen Westarmee anzuschließen. Tusk schlachtete die Verleumdung genüsslich aus. Kaczynski zog seinen Stabsleiter zerknirscht aus dem Verkehr.

Der geballten Ladung schwarzer Propaganda seitens der PiS hat Tusk allerdings bereits in der vierten Kampagnenwoche wenig entgegenzusetzen. Landauf landab versucht er die Wähler davon zu überzeugen, dass er nicht das liberale Ungeheuer ist, als das ihn Herausforderer Kaczynski darstellt. Doch während Kaczynski mutig in Tusk-Hochburgen wie Danzig auftritt, bleibt der liberale Kandidat unter Freunden – vor allem Studenten. In Szczecin (Stettin) und Poznan (Posen) besuchte er die Unis und versprach der jungen Wählerschaft weiterhin Gratisstudien.

Auf Plakatwänden mimt er neuerdings den guten Patrioten. Die liberalen Losungen seiner Bürgerplattform (PO) sind dabei in den Hintergrund getreten. Hinter Tusk hat sich der sozialdemokratische Kandidat Marek Borowski mit seinem Wählerpotential von gut einer Million gestellt. Staatspräsident Kwasniewski allerdings wollte seine Autorität nicht zu Gunsten des Rechtsliberalen einsetzen.

Damit wird die Linke Partei, wie schon bei den Parlamentswahlen und der ersten Runde der Präsidentenrunde größtenteils zu Hause bleiben. Eine Wahlbeteiligung von 40 bzw. 50 Prozent waren die Folge, ähnlich schlecht dürfte es nun auch bei der zweiten Runde aussehen. Bereits 47 Prozent der Polen haben angegeben, auch diesmal sicher nicht an die Urnen gehen zu wollen. Für Tusk werden vor allem die Jungen, besser Gebildeten und die Städter stimmen, für Kaczynski die über 66-jährigen, mäßig Gebildeten und die Landbewohner.

Laut jüngsten Umfragen soll Tusk knapp mit 53 zu 47 Prozent siegen. Doch vertrauen kann man diesen Angaben kaum. Das Rennen ist am kommenden Sonntag also offen – und spannend.

Tusk und Kaczynski praktisch gleichauf

Vor der Präsidenten-Stichwahl in Polen am Sonntag liegen die beiden Kandidaten, Donald Tusk von der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO), und Lech Kaczynski von der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), praktisch gleichauf. In Umfragen lag zuletzt je nach Meinungsforschungsinstitut der eine oder der andere Kandidat vorne.

In einer am Donnerstag in der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ publizierten Enquete betrug der Vorsprung von Tusk nur noch vier Prozent. In der neuesten und gleichzeitig letzten Umfrage des Meinungsinstituts PGB lag hingegen Kaczynski voran.

Er würde demnach von 50,2 Prozent der Polen unterstützt und sein Rivale Tusk von 49,8 Prozent. Der statistische Fehler dürfte jedoch bei rund drei Prozent liegen, womit die Wahl vom Sonntag lediglich um ein Haar gewonnen werden dürfte. Die von der PGB prognostizierte Wahlbeteiligung würde 44 Prozent betragen – noch weniger als im ersten Wahlgang (50 Prozent).

Was unternehmen die beiden Kandidaten am letzten Tag vor der Wahlstille noch, um neue Wähler zu gewinnen? Lech Kaczynski traf Freitag früh mit mehreren Sportvertretern zusammen und versicherte ihnen, dass sowohl die neue Regierung wie auch er, falls er Präsident würde, die Unterstützung für den Sport verstärken möchten. „Polen wird keine Supermacht werden, aber es könnte eine Macht sein, auch im Sport“, sagte Kaczynski.

Im Warschauer Königschloss fasste Kaczynski seine Wahlkampagne zusammen: „Ich reiste quer durch Polen und weiß, dass die Menschen sich sehr nach Veränderung sehnen.“ Er unterstrich auch, dass die PiS-Politiker, die nun wohl zusammen mit der PO die neue Regierung bilden, keine Leute ohne Rückgrat sind. Er lobte dabei auch ausdrücklich den künftigen Vizepremierminister Jan Rokita von der PO.

Damit schloss Kaczynski den gehässigen Wahlkampf mit versöhnlichen Tönen. Donald Tusk soll seine Wahlkampagne am späteren Freitagnachmittag ebenfalls im Warschauer Königsschloss zusammenfassen. Ab Mitternacht wird dann Wahlstille herrschen.

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