Polen: Neuwahlen oder Koalition
Als man schon gedacht hatte, dass die Debatte über Neuwahlen erledigt wäre, kam die rechtskonservative Regierungspartei PiS mit einer neuen Initiative. PiS-Fraktionschef Przemyslaw Gosiewski sagte, dass seine Partei die Forderung der großen oppositionellen rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) nach Änderung des Wahlsystems akzeptiere. Die Wahlordnung sollte eine gemischte sein – zur Hälfte nach dem Verhältniswahlrecht, zur anderen auf Grundlage von Ein-Personen-Wahlkreisen. Eine entsprechende Vorlage wurde schon im Sejm (Unterhaus) eingereicht.
Die PiS hat es eilig, weil sie die vorgezogenen Wahlen schon im Mai organisieren will. Die PO sagt Ja zu Neuwahlen unter zwei Bedingungen: Sie sollten erst im Herbst und nach einer neuen Wahlordnung abgewickelt werden. Dem zweiten Wunsch der zweitgrößten Partei im Parlament kam die PiS nunmehr entgegen. Über den Entwurf könnte man, so die PiS, bereits auf der Sejm-Sitzung zwischen dem 4. und 7. April abstimmen. Gleichzeitig sollte man über die Selbstauflösung des Parlaments entscheiden.
Die PiS beharrt aber auf einem Wahltermin im Frühjahr. Die PO bleibt ihrerseits unnachgiebig. Ihr Vorsitzender Donald Tusk nannte als Grund für die Ablehnung des Frühjahrstermins den Papst. Benedikt XVI. kommt zu seiner ersten Visite Ende Mai nach Polen, und Tusk vertritt nach Konsultationen mit der Bischofskonferenz die Meinung, die Abhaltung der Wahlen würde die päpstliche Pilgerreise stören. Ohne Zustimmung der PO kann das Gesetz (für das die Zweidrittelmehrheit erforderlich ist) über die Selbstauflösung des Sejm nicht angenommen werden.
Hinter vorgehaltener Hand sagen PO-Politiker, so die Tageszeitung Gazeta Wyborcza, ein Mai-Termin käme nicht in Frage, weil the day after wichtiger sei. Im Mai wäre das Wahlergebnis ähnlich wie heute, auch wenn die PO ganz knapp gewinnen sollte. Man müsse, argumentieren die PO-Politiker, beweisen, dass die PiS ihren Rückhalt in der Bevölkerung verliere, weil sie nicht regieren könne. Dies erfordere jedoch mehr Zeit.
Es gibt aber auch Kommentare, nach denen das ganze Durcheinander nur dazu dienen solle, eine offizielle Koalition der PiS mit der umstrittenen populistischen Samoobrona (Selbstverteidigung) zu rechtfertigen. Und Staatspräsident Lech Kaczynski, der Zwillingsbruder des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw, befürwortet die Absichten der PiS.