AA

Polen: Alle Bergarbeiter sind tot

Das Bergwerksunglück in Polen hat keiner der verschütteten Arbeiter überlebt. Die Suchmannschaften fanden in der Nacht die Leichen von weiteren 17 Bergleuten.

Diese waren nach der Methangasexplosion vom Dienstag noch vermisst worden. Damit stieg die Zahl der Toten auf 23. Das Grubenunglück ist das schwerste in Polen seit 27 Jahren. Präsident Lech Kaczynski rief eine Staatstrauer bis Samstag aus und kündigte umfassende Ermittlungen an.

Die Suche nach den Vermissten konnte erst am späten Mittwochabend kurz vor Mitternacht wieder aufgenommen werden, nachdem die Gaskonzentration in den Stollen zurückgegangen war. Drei Bergungsteams stiegen dann wieder mehr als einen Kilometer tief in die Halemba-Grube in Ruda Slaska ein. Sie arbeiteten sich mehr als drei Stunden lang durch hunderte Meter Schutt, bis sie schließlich nach und nach alle Opfer fanden, wie Zbigniew Madej mitteilte, der Sprecher der Betreibergesellschaft. Die Suche war am Mittwochmorgen wegen des Risikos weiterer Explosionen zunächst eingestellt worden.

„Damit geht dieser sehr traurige Tag zu Ende“, sagte Madej. „Niemand verspürt Erleichterung, sondern uns lastet ein großes Gewicht auf dem Herzen.“ Die Rettungskräfte hätten unter sehr schwierigen Bedingungen bei hohen Temperaturen und hoher Feuchtigkeit gearbeitet. Ob die Bergleute bei der Explosion oder den anschließenden Einstürzen ums Leben kamen, war nach Angaben der Rettungskräfte zunächst nicht klar.

Die Kohlegrube Halemba wurde 1957 in Betrieb genommen und ist damit eine der ältesten in Polen. Schon im Jahr 1990 wurden in dem Bergwerk 19 Arbeiter bei einer Gasexplosion getötet, 1991 kostete ein Grubenunglück fünf Menschen das Leben. Bei einem der schwersten Bergwerksunglücke in Polen kamen 1979 in der Dymitrow-Mine in Bytom (Beuthen) 34 Kumpel bei einer Kohlestaubexplosion ums Leben.

Der betroffene Schacht der Halemba-Mine war bereits im März aus Sicherheitsgründen geschlossen worden, wie der Chef der staatlichen Betreibergesellschaft, Grzegorz Pawlaszek, sagte. Dort sei jedoch Gerät im Wert von 70 Millionen Zloty (17 Millionen Euro) zurückgelassen worden, das die Arbeiter am Dienstag holen sollten, als sich die Explosion ereignete.

Suche nach den Ursachen

Zwei Tage nach dem schweren Grubenunglück im polnischen Ruda Slaska beginnt die Diskussion über mögliche Ursachen. Die Gewerkschaften machen die Praxis der Bergwerk-Gesellschaften verantwortlich, privaten Firmen Aufträge zu geben. Denn diese setzten oft nicht entsprechend ausgebildete Mitarbeiter ein. „Und die erfahrenen Kumpels werden dafür entlassen“, sagt Dariusz Trzcionka, Vorsitzender der Gewerkschaft „Kadra“.

Ein Beispiel: Der 35-jährige Adam Ludzik arbeitete ohne Ausbildung mit Sprengladungen, wurde verletzt und ist heute querschnittsgelähmt. „Ich hatte keine Wahl“, erzählte er der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Ludzik brauchte die Prämien für die schwierigen Sprengungsarbeiten, denn sein Grundgehalt betrug mit 800 Zloty (210 Euro) weniger als die Hälfte des Gehaltes eines echten Grubenarbeiters. Auch beim jüngsten Unglück, bei dem 23 Arbeiter ums Leben kamen, war es eine private Firma, die Gerät aus dem inzwischen stillgelegten Stollen abbauen sollte.

Der Bericht der staatlichen Arbeitsinspektion vom vergangenen Jahr weist auf eine weitere Ursache von Unglücken hin: In vielen Bergwerken würde veraltetes oder defektes Gerät eingesetzt, heißt es dort, gerade beim Abtransport der Kohle. Dies gelte auch für Sicherheitseinrichtungen wie Riegel zum Sperren der Geleise oder elektrische Warnsignale. Allein deshalb kamen heuer in polnischen Bergwerken schon 15 Arbeiter ums Leben.

Einen weiteren Hinweis, wie das Grubenunglück hätte verhindert werden können, gibt Jozef Dubinski, Direktor des Instituts für Bergbau. Die hohe Methan-Konzentration im Schacht, die zur Explosion führte, hätte schon vor den Arbeiten dort festgestellt werden können, so Dubinski. „Es gibt Messgeräte für den Methangehalt, die sehr genau arbeiten, wenn man sie hoch genug im Schacht anbringt“, erklärte der Experte.

Konkrete Vermutungen zur Ursache des Unglücks von vorgestern liegen noch nicht vor. Polizei und Staatsanwaltschaft haben ihre Ermittlungen inzwischen aufgenommen. Außerdem wurde eine Experten-Kommission einberufen. Es gibt jedoch bereits Meldungen, wonach einige der Verunglückten erst ihren zweiten Tag in einem Bergwerk verbrachten.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Polen: Alle Bergarbeiter sind tot
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen