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Poet mit silbergrauer Mähne

„Sollte meine Stimme an Land sterben, bringt sie bis ans Meer und lasst sie am Ufer.“ Als Rafael Alberti 1999 mit fast 97 Jahren starb, ging sein letzter Wille in Erfüllung.

Die Asche des großen spanischen Dichters und Dramatikers, dessen Liebe der Ozean war, wurde in der Bucht von Cadiz verstreut. Drei Jahre danach steht Alberti wieder im Mittelpunkt des Kulturkalenders: Am 16. Dezember wäre der Poet mit der silbergrauen Mähne und der Schiffermütze 100 Jahre geworden, und an diesem Tag fällt der Startschuss für eine ganze Reihe Gedenkveranstaltungen, die weit bis 2003 reichen.

Als Vorgeschmack ist unter dem Titel „El viento que viene y va“ (Der Wind, der kommt und geht) eine CD mit bisher unveröffentlichten Gedichten herausgekommen, die Alberti vor zehn Jahren während einer Tournee mit dem argentinischen Liedermacher Enrique Llopis vortrug. Während der Franco-Diktatur (1939-1975) hatte der Poet 24 Jahre seines langen Exils in Argentinien verbracht.

Am 16. Dezember selbst wird in seiner andalusischen Geburtsstadt El Puerto de Santa Maria bei Cadiz der fast eine Million Euro teure Neubau der Alberti-Stiftung eröffnet, die von seiner Witwe Maria Asuncion Mateo geleitet wird. Die Räumlichkeiten sollen als Kulturzentrum dienen und beherbergen zudem die aus mehr als 7.000 Büchern bestehende Bibliothek des Dichters.

Trotz seines hohen Alters hatte der seit seiner Jugend lungenkranke Alberti bis kurz vor seinem Tod noch gearbeitet. Dieses Lungenleiden war es auch, das Spaniens „kämpferischen Poeten“ überhaupt dazu brachte, sich ganz der Dichtkunst zu widmen. Zunächst hatte er nämlich in Madrid mit der Malerei angefangen. Mehrere Bücher seines Jugendfreundes Federico Garcia Lorca hat er unter anderem illustriert. Anfang der 20er Jahre musste Alberti in eine Klinik. In den fünf Jahren dort schrieb er auch seinen ersten Gedichtband „Marinero en tierra“, für den er 1925 auf Anhieb den Nationalen Literaturpreis erhielt.

Alberti war der letzte große Vertreter der einflussreichen Literaturbewegung „Generation von 1927“, zu der neben Garcia Lorca noch Vicente Aleixandre, Daaso Alonso, Gerardo Diego oder Jorge Guille zählten. Zu seinen Freunden und Weggenossen gehörten auch der Regisseur Luis Bunel und die Maler Pablo Picasso und Salvador Dali. Eine klare Sprache, surrealistische Elemente und politisches Engagement sind charakteristisch für Albertis Werk. Er trat 1931 der Kommunistischen Partei bei und kämpfte im Bürgerkrieg auf der Seite der Volksfront gegen die Truppen General Francos. In seiner Sammlung „El poeta en la calle“ (Der Dichter auf der Straße) prangert er Kriegsgräuel an und beklagt zerbrochene Hoffnungen.

Als 1929 sein Gedichtband “Über die Engel“ erschien, löste Alberti gleichermaßen Be- und Verwunderung aus. Kaum zu glauben, dass ein erst 26-jähriger Poet aus dem lebensfrohen Andalusien so düstere Visionen von Angst und Selbstzweifeln haben konnte.

Nach dem Bürgerkrieg verbrachte Alberti 38 Jahre im Exil in Paris, Buenos Aires und Rom. Nach der Franco-Diktatur kehrte er zurück. „Ich bin mit geballter Faust gegangen und mit offenen Händen als Zeichen der Eintracht mit allen Spaniern zurückgekehrt“, sagte er bei der Ankunft. Als KP-Abgeordneter im ersten demokratischen Parlament hielt er es zwei Monate aus, dann wandte er sich wieder ganz der Poesie zu. 1983 erhielt Alberti den Cervantes-Preis, die höchste Auszeichnung der spanischsprachigen Literatur.

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