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Pleiten-Rekord in Deutschland

Deutschland verbucht einen neuen Pleitenrekord: Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform befürchtet, dass die Gesamtzahl der Insolvenzen in diesem Jahr auf 135.000 bis 140.000 Fälle steigen wird.

Bereits im vergangenen Jahr sei mit einem Anstieg von 15,3 Prozent auf 115.700 Fälle ein Pleitenrekord verzeichnet worden, sagte Creditreform-Vorstand Helmut Rödl am Donnerstag in Düsseldorf.

Das gehe hauptsächlich auf die weiter rasant steigende Zahl der Privatinsolvenzen zurück, während die Zahl der Firmenpleiten 2004 nur leicht zugenommen habe. Hier liege Deutschland im westeuropäischen Vergleich erneut auf dem zweiten Platz hinter Frankreich. Die Zahl der Firmenpleiten sei 2004 im Bundesdurchschnitt um 0,3 Prozent auf 39.600 gestiegen. Die zuvor erhoffte Trendwende sei damit nicht eingetreten. Die immer noch steigende Zahl gehe auf die Entwicklung in den alten Bundesländern zurück. In den neuen Bundesländern seien die Firmenpleiten seit 2003 rückläufig.

Die Zahl der Insolvenzen in 15 westeuropäischen EU-Staaten plus Norwegen und der Schweiz stieg laut Creditreform um ein Prozent auf insgesamt 156.245. Den höchsten Anstieg verzeichnete dabei Griechenland, wo die Zahl der Firmenpleiten um 20,2 Prozent auf 577 zunahm. In Österreich stieg die Zahl der Pleiten um 11,2 Prozent, in der Schweiz um 9,2 Prozent.

Den größten Rückgang verzeichnete dagegen Großbritannien: Die Zahl der Insolvenzen in England, Schottland und Wales sanken um 13,4 Prozent auf knapp 13.000. Deutlich weniger Konkurse meldeten auch Norwegen (minus 13,3 Prozent) und Spanien (minus 11,8 Prozent). Die spanischen Zahlen sind laut Creditreform aber nur eingeschränkt vergleichbar, weil dort nur große Unternehmen das Insolvenzrecht nutzen.

In Deutschland waren laut Creditreform 2004 gut 600.000 Arbeitnehmer von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen. Die Zahl sei erstmals seit 2000 rückläufig. Dies werde in diesem Jahr – unter anderem durch die Pleite von Walter-Bau – wahrscheinlich wieder in die andere Richtung gehen.

Im Vergleich der westeuropäischen Länder belegt Deutschland laut Creditreform bei den Privatinsolvenzen den Spitzenplatz vor Großbritannien. Gut 76.000 Verbraucher und ehemals Selbstständige traten 2004 den Gang zum Insolvenzgericht an. Seit der Einführung des Insolvenzverfahrens für Verbraucher in Deutschland 1999 habe sich damit die Zahl der Fälle mehr als verzehnfacht.

Die deutliche Zunahme sei aber kein rein deutsches Phänomen. Nur Norwegen habe 2004 einen Rückgang bei Privatinsolvenzen verzeichnet. Die Privatinsolvenzen seien mit Blick auf die Überschuldung von Verbrauchern nur die Spitze des Eisberges. Neun Prozent der deutschen Privathaushalte gelten als überschuldet.

Creditreform geht für das laufende Jahr bei Verbraucherpleiten in Deutschland von einen erneuten starken Anstieg aus. Bei den Firmenpleiten in der deutschen Wirtschaft wird auf eine Stagnation oder einen leichten Rückgang gehofft. „Wir werden eine nachhaltige Verbesserung bei den Unternehmenspleiten 2005 nicht bekommen“, meinte Rödl.

Während in der deutschen Industrie eine Abnahme der Firmenzusammenbrüche wahrscheinlich sei, werde für den krisengeschüttelten Einzelhandel mit einer weiteren Pleitenzunahme gerechnet. Die Insolvenzgefahr sei im Baubereich am höchsten. Die Pleite von Walter-Bau werde viele Unternehmen mit in den Abgrund ziehen. Rödl geht von mindestens 40 bis 50 Folgekonkursen aus.

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