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Anton Zeilinger wird zusammen mit Alain Aspect und John F. Clauser mit dem heurigen Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.
Anton Zeilinger wird zusammen mit Alain Aspect und John F. Clauser mit dem heurigen Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. ©APA/ROBERT JAEGER (Symbolbild)

Physik-Nobelpreis: Wien Teil von Anton Zeilingers Vita

Anton Zeilinger wird zusammen mit zwei weiteren Physikern mit dem Physik-Nobelpreis 2022 ausgezeichnet. Wien kommt in der Vita des Mannes, mit dem sich nun ganz Österreich freuen darf, ebenfalls vor.
Physik-Nobelpreis für Zeilinger

Anton Zeilinger: Schon lange wurde er als Kandidat gehandelt, er selbst kommentierte dies in den vergangenen Jahren immer realistisch: "Es gibt so viele andere Kandidaten auch". Nun hat es doch geklappt: Der österreichische Quantenphysiker wird gemeinsam mit Alain Aspect und John F. Clauser mit dem diesjährigen Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Der 77-jährige Wissenschafter ist damit am Zenit seiner langen international beachteten wissenschaftlichen Karriere.

Physik-Nobelpreis: Anton Zeilinger wird ausgezeichnet

Zeilinger hat immer an den äußeren Grenzen des aktuellen Wissens geforscht und bahnbrechende Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik geliefert. Gleichzeitig wurde er mit seinem ergrauten Rauschebart und krausem Haar zum gefeierten Medienstar, dem Attribute wie "Mr. Beam", "Quantenpapst", "Popstar der Naturwissenschaft" oder "Hexenmeister aus Wien" verliehen wurden.

"Ich möchte keine Dinge machen, die Mainstream sind", sagte Zeilinger einmal im Gespräch mit der APA. Dabei hat er mit seinen Arbeiten durchaus geholfen, einige Hauptströmungen seines Fachs zu starten - "sobald es aber Mainstream war, habe ich gesagt: Aus, wir machen wieder etwas anderes."

Zeilinger diskutierte mit Nobelpreisträgern

Zeilingers Popularität ist wohl dem Umstand zu verdanken, dass er sich nie gescheut hat, den Elfenbeinturm zu verlassen: Er erklärte dem Dalai Lama die (Quanten-)Welt, diskutierte mit Nobelpreisträgern den Sinn des Lebens und vermittelte Grundprinzipien der Quantenphysik bei der Kunstausstellung documenta in Kassel.

Zeilinger: Studium an Uni Wien

Zeilinger, am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geboren, hat in seinen Physik- und Mathematik-Studien an der Universität Wien "keine einzige Stunde eine Vorlesung zur Quantenphysik" gehabt. Er musste sich sein Wissen aus Büchern aneignen, "und das hat mich sofort fasziniert, weil die Quantenphysik von unglaublich schöner Mathematik ist". Faszinierend fand er auch, was nicht in den Büchern stand: "Wenn man fragt, was das alles bedeutet, im Sinne einer Interpretation der Quantenmechanik, bekommt man das Gefühl, dass da etwas Interessantes verborgen sein muss", sagte er einmal im Gespräch mit der APA. Diese philosophischen Konsequenzen der Erkenntnisse aus der Quantenwelt beschäftigen ihn heute mehr denn je.

Er habe "das Riesenglück gehabt", seine Doktorarbeit bei Helmut Rauch (1939-2019) zu machen, dem Urvater der Quantenoptik in Österreich. Wie Rauch arbeitete Zeilinger ganz klassisch mit Neutronen, doch in dieser Zeit habe Rauch mit der Neutronen-Interferometrie begonnen und konnte schließlich zeigen, dass nicht nur Lichtteilchen Welleneigenschaften besitzen, sondern - wie von der Quantenphysik vorhergesagt - auch massive Teilchen wie Neutronen.

Zeilinger-Aufenthalt bei späterem Nobelpreisträger

Zeilinger blieb nach der Promotion (1971) als Assistent bei Rauch. In diese Zeit fielen erste Forschungsaufenthalte im Ausland, u.a. beim späteren Nobelpreisträger Clifford G. Shull am Massachusetts Institute of Technologie (MIT), das er bis 1990 immer wieder besuchte. Dort begann er, sich mit grundlegenden Fragen der Quantenphysik zu beschäftigen - zum Beispiel in Diskussionen mit den US-Physikern Daniel Greenberger und Michael Horne über das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung.

Dabei handelt es sich um einen quantenphysikalischen Zustand von mindestens zwei Teilchen, der Grundannahmen der klassischen Physik widerspricht. Denn zwei verschränkte Teilchen bleiben auch über beliebige Distanzen stark miteinander verbunden, Veränderungen an einem beeinflussen scheinbar augenblicklich das andere Teilchen. Zeilinger hat aus dieser scheinbaren wissenschaftlichen Kuriosität ein mächtiges Werkzeug gemacht - nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für Anwendungen.

Bedeutendste Leistung von Zeilinger?

Mit Greenberger und Horne beschrieb Zeilinger 1986 eine spezielle Form der Verschränkung von drei Teilchen, die heute nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen "GHZ-Zustand" bezeichnet wird. Diese Arbeit gilt in Fachkreisen als eine der wichtigsten Leistungen des Physikers. Es sollte bis 1998 dauern, bis es ihm gelang, diese Zustände auch experimentell zu erzeugen - der Weg dahin erwies sich aber als wissenschaftlich überaus fruchtbar.

Physik-Nobelpreis für Zeilinger - er war früher Assistent an TU Wien

Ab 1983 war Zeilinger Assistent an der Technischen Universität (TU) Wien, 1988 erhielt er eine Lehrstuhlvertretung an der TU München. 1990 wurde er schließlich als Professor an die Universität Innsbruck berufen und legte dort das Fundament für die heute zur Weltspitze zählende österreichische Quantenphysik.

Zeilinger-Wechsel an Uni Wien

1999 wechselte Zeilinger schließlich an die Universität Wien, wo er das Institut für Experimentalphysik leitete und bis zu seiner Emeritierung 2013 als Professor tätig war. 2003 gründete er außerdem gemeinsam mit Physiker-Gruppen der Universität Innsbruck um Rainer Blatt, Rudolf Grimm, Peter Zoller und Hans Briegel das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Experimentator Zeilinger

Fachlich gilt Zeilinger unter Kennern vor allem als begnadeter Experimentator, dem es in ausgefeilten Versuchen gelingt, neue Zusammenhänge aufzudecken und gängige Theorien zu bestätigen oder zu widerlegen. Dabei hat er sich mit technischer Präzision und intellektueller Weitsicht immer wieder auch mit Grundfragen der Quantenphysik beschäftigt.

Diese Auseinandersetzung führte zu einer Reihe von Ergebnissen, die international Aufsehen erregten. So entstand etwa Anton Zeilingers wohl bekanntestes Experiment auf dem Weg zur Realisierung der "GHZ-Zustände": die Teleportation.

Zeilinger schaffte Teleportation von Lichtteilchen

1997 gelang Zeilinger erstmals die Teleportation von Lichtteilchen. Auch wenn es dabei nicht wie in "Star Trek" um Fernübertragung von Materie, sondern von exakter Information geht, wurde der Versuch mit "Beamen" verglichen bzw. gleichgesetzt. Er selbst vermeidet solche Begriffe, hatte aber nie ein großes Problem damit; das Interesse der Öffentlichkeit war ihm damit sicher.

Auch wenn es ohne ein gewisses Maß an Eitelkeit wahrscheinlich nicht geht: Publicitygier schien nie ein Beweggrund für Zeilingers Vermittlungsarbeit gewesen zu sein, für die ihn der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten 1996 als "Wissenschafter des Jahres" ausgezeichnet hat. Vielmehr ist es der Enthusiasmus für sein Fach, "er kann Begeisterung vermitteln, weil er selbst ein Begeisterter ist", wie er einmal beschrieben wurde.

Was Zeilinger und sein Team erkannten

Zum Interesse an seiner Arbeit trägt sicher bei, dass es sich dabei in vielen Fällen zwar um Grundlagenforschung par excellence handelt, es aber dennoch viele Anknüpfungspunkte zur Anwendung gibt. So erkannten der Physiker Zeilinger und sein Team, dass sich schon lange bekannte Effekte aus der Quantenwelt für völlig neue Zwecke nutzen lassen, etwa die Quantenkryptographie.

Dabei wird das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung, bei dem zwei Teilchen wie durch Zauberhand auch über weite Strecken verbunden bleiben, zur abhörsicheren Übermittlung von Schlüsseln genutzt. Dass dies möglich ist, zeigte Zeilinger erstmals 1999, fünf Jahre später demonstrierte er im Wiener Rathaus als Premiere eine mittels Quantenkryptographie verschlüsselte Geldüberweisung.

Mit der Vision eines weltumspannenden Quanteninternets vor Augen, schoben Zeilinger und sein Team die Grenzen der Verschränkung und der Teleportation immer weiter hinaus - in Lichtleitern durch einen Abwasserkanal unter der Donau hindurch, in die Atmosphäre zunächst quer über Wien und dann zwischen kanarischen Inseln.

Vergebliches Engagement bei Zeilinger

Zeilinger wollte noch höher hinaus und engagierte sich - vergeblich - für einen europäischen Quantenkommunikationssatelliten. Den sollten dann die Chinesen bauen und 2016 unter dem Namen "Micius" starten. Der Wiener Physiker war als Kooperationspartner mit dabei - hatte doch der Leiter des chinesischen Projekts, Pan Jian-Wei, bei Zeilinger an der Uni Wien promoviert.

2017 führte schließlich Zeilinger als ÖAW-Präsident mit seinem chinesischen Amtskollegen mithilfe von "Micius" das erste quantenverschlüsselte Videotelefonat durch. Zeilinger, der 2019 einmal mehr zu den meistzitierten und damit einflussreichsten Forschern Österreichs zählte, erregte damit erneut weltweite Aufmerksamkeit. Die American Physical Society (APS) kürte das "Quantentelefonat" zu einem der zehn Physik-Highlights des Jahres.

Zeilinger bleibt laut Eigenangaben Grundlagenforscher

Trotz aller Sympathie für Öffentlichkeit und Anwendung seiner Forschungen bleibt Zeilinger nach eigenen Angaben Grundlagenforscher, sein großes Interesse gilt dem Ziel, mehr Wissen über unsere Welt anzusammeln. "Ich könnte den Rest meines Lebens damit verbringen, irgendwelche Technologien zu entwickeln, aber das interessiert mich nicht", betonte er im APA-Gespräch und verweist auf eine Serie neuer Experimente, die er in seiner Gruppe zu "ganz fundamentalen Fragestellungen" gestartet hat.

Autoritäten und Grenzen hätten ihm schon als Schüler nichts bedeutet, erinnerte sich Zeilinger einmal. Diese Einstellung hat er sich bis heute erhalten und sich nie gescheut, zu aktuellen Themen Stellung zu nehmen und sich auch hochschulpolitisch zu engagieren.

Zeilinger verfolgte Idee

Konsequent verfolgte er etwa die Idee, in Österreich eine Spitzenforschungseinrichtung zu etablieren. Er konnte die Politik für die Idee gewinnen und 2009 wurde das Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg eröffnet. Im selben Jahr gründete Zeilinger die Internationale Akademie Traunkirchen, in der begabte junge Menschen gefördert werden.

2013 wurde Zeilinger zum Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gewählt und 2017 für eine weitere Amtszeit bestätigt. Bis Ende Juni stand er der Akademie vor, ehe ihn Heinz Faßmann an der Spitze der Gelehrtengesellschaft ablöste.

Ehrungen für Zeilinger

Ehrungen hat Zeilinger unzählige bekommen: 2001 erhielt er mit der Aufnahme in den Orden "Pour le Merite" die höchste Wissenschaftsauszeichnung Deutschlands und mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst die höchste Ehrung für Wissenschafter Österreichs. 2005 bekam er den saudiarabischen "King Faisal Preis", 2007 die erstmals vergebene "Isaac Newton Medaille" des "Institute of Physics", letztere für "seine bahnbrechenden konzeptionellen und experimentellen Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik, die zu Meilensteinen der sich rasch entwickelnden Forschung im Bereich der Quanteninformation geworden sind".

Ganz ähnlich wurde 2010 die Verleihung des renommierten Wolf-Preises an Zeilinger begründet. Zum 70er gab es 2015 das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 2017 folgten der John-Stewart-Bell-Preis, 2019 der chinesische Micius-Preis. Der Physiker ist zudem Fellow der American Association for the Advancement of Science (AAAS) und Mitglied etlicher Wissenschaftsakademien.

(APA/Red)

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