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Pflege: Angehörige fordern Geld und Unterstützung

Knapp eine Million Österreicher pflegen ihre Angehörigen.
Knapp eine Million Österreicher pflegen ihre Angehörigen. ©APA/dpa
Die Eltern von chronisch kranken Kindern, aber auch Angehörige von pflegebedürftigen Menschen fühlen sich im Stich gelassen. sie fordern daher mehr Rechtssicherheit und Unterstützung von Seiten des Staates.

Rechtsanspruch auf Pflegekarenz, Pflegekarenzgeld für Selbständige sowie mehr Rechtssicherheit für Eltern mit chronisch kranken Kindern: Diese und weitere Forderungen stellte die Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger am Freitag an die Politik. Angesichts des Nationalen Aktionstags für pflegende Angehörige will die Interessensgemeinschaft die Öffentlichkeit sensibilisieren.

"Jeder kann betroffen sein, viele sind betroffen", sagte die Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, Birgit Meinhard-Schiebel, in einer Pressekonferenz. Dennoch zerbrächen sich nur wenige Menschen den Kopf darüber, "was es bedeuten kann, wenn es passiert".

Rund eine Million Österreicher pflegen Angehörige

Derzeit pflegt eine knappe Million Österreicherinnen und Österreicher ihre Angehörigen, davon seien rund 947.000 Erwachsene sowie 42.000 Kinder und Jugendliche. Diese hätten ein Recht auf Unterstützung und müssten dieses auch einklagen können, begründete Meinhard-Schiebel die Forderung nach Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Schulungen. Gleichzeitig freute sie sich über die im Juli im Nationalrat beschlossene jährliche Erhöhung des Pflegegelds: "Damit ist die erste Forderung endlich vom Tisch."

Trotz der Erhöhung herrscht für Pflegende Angehörige noch nicht eitel Wonne, etwa für Eltern von chronisch kranken oder behinderten Kindern. "Wir fühlen uns alleine gelassen", beklagte Claudia Sengeis, die pflegende Mutter eines behinderten Kindes. Wenn von Pflege die Rede sei, gehe es immer nur um ältere Menschen. Niemand denke dabei an zu pflegende Kinder, sagte Sengeis bei der Pressekonferenz. Sorge bereitet ihr etwa, wer sich um Kinder kümmere, deren pflegenden Angehörigen selbst krank würden. Die Interessensgemeinschaft fordert daher auch Wohn- und Arbeitsmodelle für Menschen nach dem Tod ihrer pflegenden Angehörigen.

Demenzkranke nur in Stufe 1

Eine weitere benachteiligte Gruppe im österreichischen Pflegesystem sei jene der psychisch kranken Menschen, erklärte die Geschäftsführerin des Hilfswerks, Elisabeth Anselm am Freitag im "Ö1-Morgenjournal". Aufgrund einer "veralteten" Einstufungslogik fänden sich Demenzkranke meist in Stufe eins von insgesamt sieben Stufen wieder, obwohl sie in der Realität mehr Betreuungszeit und damit auch mehr Pflegegeld benötigten. Anselm forderte daher eine Reform des Pflegegeldsystems.

Eine solche Reform kann sich auch Meinhard-Schiebel vorstellen. Jedoch müsse man aufpassen, "dass das Pflegegeld nicht verschwindet." Gleichzeitig betonte sie, dass das Pflegegeld nur eine Unterstützungsleistung sei und nicht ausreiche, um alle anfallenden Pflegekosten zu ersetzen. Eine Reform sollte daher bewirken, dass die Unterstützungsleistung für die Langzeitpflege ausreiche.

Auch Behindertenrat fordert Ausbau

Zum Thema meldeten sich am Freitag auch Behindertenrat, Sozialministerium und Behindertenanwalt. "Den konsequenten Ausbau der Persönlichen Assistenz" forderte der Österreichische Behindertenrat in einer Aussendung. Das Sozialministerium machte darauf aufmerksam, dass Pflegende Angehörige vom Sozialministeriumsservice finanzielle Zuschüsse beantragen können, um bei persönlicher Verhinderung eine professionelle oder private Ersatzpflege zu organisieren. Diese Leistung könne derzeit aber erst "ab einer Pflegeverhinderung von mindestens einer Woche, in bestimmten Fällen ab vier Tagen, in Anspruch genommen werden", erklärte der Behindertenanwalt Hansjörg Hofer in einer Aussendung. Hofer fordert darin, dass "auch eine tageweise Inanspruchnahme der Zuwendung ermöglicht wird."

Parteien wollen Verbesserungen

Der nationale Aktionstags für pflegende Angehörige hat am Freitag auch für Parteienreaktionen gesorgt. Die ÖVP verwies auf ihre bereits in der türkis-blauen Koalition geäußerten Vorstellungen zur Pflege daheim und Pflegeversicherung. Die SPÖ verlangte einen Pflegegarantiefonds, und die NEOS können sich mit der Versicherungsidee anfreunden.

Die ÖVP formulierte in einer Pressekonferenz vier zentrale Forderungen zur Pflege. Es solle "mobil vor stationär" gelten, etwa mit einem Pflegegeldbonus für die Betreuung zu Hause, Berücksichtigung der Demenz bei der Einstufung und Anpassungen der 24-Stunden-Betreuung. Sicherstellen will man ausreichend Pflegekräfte, die man - drittens - auch von Bürokratie entlasten will. Finanziert werden soll all das aus einer Pflegeversicherung, so die bekannte ÖVP-Idee.

SPÖ-Familiensprecherin Birgit Sandler sprach sich in einer Aussendung für Wahlfreiheit für Familien aus, welche Form der Betreuung gewählt wird. Für pflegende Angehörige solle es Verbesserungen geben. Außerdem will die SPÖ einen Pflegegarantiefonds, aus dem die mobile und stationäre Pflege finanziert werden.

Für NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker muss die Politik Sorge tragen, dass pflegende Angehörige, besonders Härtefälle wie etwa Eltern, die Kinder mit schwerer Behinderung pflegen, die notwendige Unterstützung erhalten. Auch die NEOS wollen Pflege wenn möglich in der gewohnten Wohnumgebung belassen. Neben Härtefall-Zuschlägen beim Pflegegeld soll künftig auch eine ergänzende Pflegeversicherung für eine bessere finanzielle Basis sorgen.

(APA/red)

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