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Petr Necas - Zaudernder "Herr Anständig"

Der Neuling an der Spitze der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) Petr Necas (sprich Netschass) hat am Montag das Premiersamt in Tschechien übernommen, obwohl seine Partei die Parlamentswahlen gar nicht gewonnen hat. Doch da die aus der Parlamentswahl im Mai als stärkste Kraft hervorgegangenen Sozialdemokraten (CSSD) keine Koalitionspartner fanden, kommt Necas nun zum Zug.

In die Position des ODS-Spitzenkandidaten wurde der 45-Jährige sozusagen in letzter Minute und ungeplant berufen: Knapp zwei Monate vor der Parlamentswahl übernahm der bisherige ODS-Vizechef die Parteiführung, nachdem sein Vorgänger, der ehemalige Premier Mirek Topolanek, wegen einer Affäre um kontroverse Aussagen über Homosexuelle und Juden zurücktreten hatte müssen.

“Herr Anständig” oder “Herr Sauber” – so betitelten die tschechischen Medien Necas, als seine Berufung an die ODS-Spitze bekanntgegeben wurde. Eine Anspielung darauf, dass sein Wortschatz ganz anders als jener seines Vorgängers ist und vor allem darauf, dass Necas bisher praktisch in keine Korruptionsaffäre verwickelt war, obwohl er seit 1992 in höheren politischen Ämtern ist. Man kann ihm höchstens die Auszahlung einer laut Medien unangemessenen Abfertigung an seine Assistentin vorwerfen, als er 2009 das Amt des Arbeitsministers verließ.

Verstärkt wird das Ansehen des “Herrn Anständig” durch sein Familienleben. Der verheiratete Necas genießt den Ruf eines vorzüglichen Vaters von zwei Söhnen und zwei Töchtern und gilt als einer der wenigen Katholiken unter den Spitzenvertretern der ODS.

Laut Politologen ist Necas aber ein Mann ohne Charisma, dem außerdem auch Unentschlossenheit vorgeworfen wird. Dies zeigte sich schon mehrmals in seiner Karriere. Am bekanntesten ist sein Zaudern 1997, als er vom damaligen Premier Vaclav Klaus für die Position des Innenministers vorgeschlagen wurde. “Entweder mache ich mich als Politiker gut in diesem Amt oder ich scheitere daran”, erklärte er damals, als er die Nominierung annahm. Er wolle “Vitalität” und “Energie” in das Ministerium einbringen. Ein paar Stunden nach dieser Erklärung lehnte er das Amt plötzlich ab, offiziell aus familiären Gründen.

Nun führt der studierte Physiker mit dem Titel eines Doktors der Naturwissenschaften die künftige tschechische Regierung an. Entsprechenden Mut dafür präsentierte er schon: Es gebe eine große Chance, eine “Koalition der Budget-Verantwortung” zu bilden, die Tschechien so sehr brauche, sagte Necas unmittelbar nach den Wahlen in Anspielung auf die hohen Budget-Defizite Tschechiens. Im Unterschied zu Topolanek hat er eine korrekte Beziehung zum einstigen Chef und Gründer der ODS, dem heutigen Staatspräsidenten Klaus. Dieser verließ die ODS Ende 2008 unter anderem wegen der von Topolanek forcierten Parteiausrichtung.

Politische Erfahrungen sammelte Necas zunächst im Bereich der Sicherheit und Verteidigung. Er war beispielsweise Mitglied des außenpolitischen Ausschusses im Abgeordnetenhaus. In den Jahren 1995 und 1996 übte er das Amt des ersten Stellvertreters des Verteidigungsministers aus. Später wechselte er zu den Bereichen Arbeit und Soziales, was ihm in den Jahren 2006 bis 2009 das Amt des Arbeitsministers und gleichzeitig des Vizepremiers einbrachte. Im Laufe seiner Amtszeit setzte er deutlich strengere Regeln für die Auszahlung von Sozialleistungen durch.

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