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Paris verschärft Konfrontationskurs

Veto in der NATO und Veto-Drohung in der UNO. Die enge Abstimmung Frankreichs mit Berlin und Moskau anstatt mit Washington verärgert die USA.

Das Veto in der NATO ist noch nicht alles, es kann schlimmer kommen für die transatlantischen Beziehungen. So lange Paris nicht von der Notwendigkeit eines Krieges gegen den Irak überzeugt ist, will es auf die Bremse treten. Am Montag hat Frankreich in der NATO militärische Unterstützung blockiert, demnächst könnte ein Veto im UNO-Sicherheitsrat folgen.

Noch in der vergangenen Woche bekräftigte Präsident Jacques Chirac, dass er sich auch in der UNO vorbehält, amerikanische Kriegsplanungen auf diplomatischen Weg aufzuhalten. Aus französischer Sicht vertreten die USA in der Irak-Krise eine Minderheitenposition. Dagegen machen Paris, Berlin und inzwischen auch Moskau gemeinsam Front. Dass US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ein Veto in der NATO schon im Vorgriff als „schrecklichen Fehler“ hinstellte, hat Paris nicht umgestimmt.

Die Dissonanzen zwischen Frankreich und den USA sind in den vergangenen Wochen immer gravierender geworden. Nach Rumsfelds Anläufen, Deutschland und Frankreich als das „Alte Europa“ abzutun, warnte die französische Verteidigungsministerin am Wochenende, Washington solle gegenüber Verbündeten „unbegründete Anschuldigungen und lügnerische Behauptungen“ unterlassen. Als neue deutsch-französische Überlegungen für eine Verstärkung der UNO-Inspektionen im Irak publik wurden, war die US-Regierung erneut verprellt. Denn es sei „nicht die Art, sich Freunde zu machen“, wenn solche Überlegungen zuerst an die Öffentlichkeit, erst danach aber an die Partner gingen, sagten US-Vertreter.

Auch wenn am Montag die Regierungen in Paris und Berlin nicht mehr von einem Plan sprechen wollten, sondern nur von “Überlegungen“, steht doch fest: Mit der Entsendung noch größerer Inspektoren-Kontingente würde ein Feldzug gegen den Irak erneut hinausgezögert, wenn nicht – wegen der Gefahr für die Inspektoren – fast unvorstellbar. Das scheint auch das Ziel zu sein. Schon erklärte der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow, Russland werde einem entsprechenden UNO-Beschluss voraussichtlich zustimmen.

Unterdessen brachte Chirac mit einer Serie von Telefonaten in der vergangenen Woche weitere Sicherheitsrats-Mitglieder auf Linie. Er sprach mit dem mexikanischen Präsidenten Vicente Fox, dem Chilenen Ricardo Lagos, dem Syrer Bashar Assad und dem kamerunischen Staatschef Baul Biya. Auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der am Montag zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Frankreich eintraf, stimmt Chirac sich in der Irak-Krise engstens ab. Der Kreml erklärte nach einem Telefonat Chiracs mit Putin, beide seien sich einig, den Konflikt mit „politisch-diplomatischen Mitteln“ beizulegen.

Seit der vergangenen Woche ist offenkundig, dass Frankreich in der Irak-Krise zumindest gegenwärtig stärker auf Berlin und Moskau setzt als auf London und Washington. Chirac und der britische Premier Tony Blair räumten nach einem Gipfel am Ärmelkanal „Differenzen“ ein. Rumsfeld artikuliert am deutlichsten die zunehmende amerikanische Ungeduld: „Wir haben bereits zwölf Jahre hinter uns“, wettert der Pentagon-Chef. „Wie lange wollen sie noch warten und inspizieren lassen?“

Mit ihrer zweigleisigen Irak-Politik – Abrüstung unter UNO-Kontrolle, Krieg als „letztes Mittel“ – hat die Pariser Regierung wiederholt Irritationen hervorgerufen. Für Außenamtssprecher Bernard Valero sind die jüngsten Absprachen mit Berlin nur ein weiterer logischer Schritt. Dabei gehe es nicht um einen „Geheimplan“, sondern darum, dass Berlin öffentlich Vorschläge des französischen Außenministers unterstütze. Schon am 5. Februar habe Dominique de Villepin im Sicherheitsrat angeregt, die Waffeninspektionen zu verstärken. Und in Einzelheiten hat Paris sich inzwischen sogar auf Forderungen Washingtons eingelassen. So fordert auch Frankreich neuerdings von der Regierung in Bagdad, sie müsse den Einsatz von US-Spionageflugzeugen vom Typ U-2, deutschen Drohnen und französischen Mirage über irakischen Territorium zulassen.

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