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Paris: Angst vor Jahrhundertflut

In der Millionenstadt Paris geht die Angst vor einer „Jahrhundertflut“ wie zuletzt anno 1910 um. Metro und Bahn, Museen und Spitäler bereiten sich schon vor.

Extrem starke Regenfälle, vermehrte Sandablagerungen im Seine-Flussbett, die Klimaerwärmung und die wachsende Urbanisierung könnten nach Auffassung von Fachleuten geballt zusammenwirken und große Teile der französischen Hauptstadt unter Wasser setzen. Wiederholt bereits haben Polizei und Feuerwehr gemeinsam Krisenpläne erörtert.

Metro und Bahn, Museen und Spitäler bereiten sich intensiv auf die drohende Überschwemmung vor. Während die Medien die vermuteten Folgen der Flut mit massiven Schäden in Höhe von zwölf Milliarden Euro ausbreiten, ist die Angst vor den Wassermassen längst bis in das historische Rathaus von Bürgermeister Bertrand Delanoe geschwappt.

Die Katastrophen-Beauftragte Michele Merlin organisiert wöchentlich Planungstreffen mit den Verantwortlichen von Behörden und Unternehmen. „Viele mussten ihre Skepsis erst überwinden. Die Furcht vor Terroranschlägen nach dem 11. September stand zunächst weit mehr im Vordergrund als die Angst vor Wasser“, erklärt Merlin. Als eindringliche Warnung wurde jedoch die Jahrhundertflutkatastrophe in Deutschland vom vergangenen August verstanden, als die Elbe über die Ufer trat und in Dresden Semperoper und Zwinger unter Wasser standen.

Hunderte wertvoller Bilder und Gemälde des Louvre und des Orsay-Museums sind noch in von Überschwemmung bedrohten Räumen gelagert. Vorsichtig werden diese nun schon in Sicherheit gebracht. Rasch gehandelt wurde auch in dem modernsten Pariser Krankenhaus Georges Pompidou. 25.000 Betten, davon 1.300 von schwer kranken Patienten, waren anfangs noch in Zimmern untergebracht, die nach den Berechnungen der Fachleute im Ernstfall unter Wasser stehen dürften.

Vor allem ein überschwemmtes Metrosystem hätte katastrophale Folgen. Nachdem im Sommer die U-Bahn in Prag wegen hereinbrechender Wassermassen größtenteils lahm gelegt wurde, muss sich nun auch die französische Hauptstadt gegen diese Gefahr wappnen. Doch hat sich die Metropole in dieser Hinsicht gut vorbereitet. In Erinnerung an das schwarze Jahr 1910 hat die Pariser Metro-Organisation vorgesorgt:
68.000 Mauersteine, 32.000 Säcke Mörtel, 530 Kubikmeter Beton, 10.000 Meter Holzbalken und etwa ein Kilometer vorgefertigte Mauern sollen jetzt den Fluten trotzen.

1910 war für die Pariser die letzte dramatische Konfrontation mit dem Seine-Hochwasser. Anhaltende heftige Regenfälle und stürmische Schneetreiben im Winter ließen Zubringer-Flüsse wie Yonne, Loing und Grand Morin stark ansteigen. Gewaltige Wassermassen fluteten haltlos in die Hauptstadt ein und ließen die Seine weit über die Ufer treten. Metrostationen, Häuser, Krankenhäuser, Geschäfte und Museen – alles war schlagartig überflutet. Familien brachten ihr letztes Hab und Gut auf Booten unter und ruderten verzweifelt durch die sonst so malerischen Pariser Gassen. Menschen ertranken qualvoll, Epidemien brachen aus.

Fast ein Jahrhundert später bereiten nicht nur die Niederschläge Sorgen. Ein großes Problem ist die Versandung des Seine-Flussbetts, die dem Wasser seinen Platz nimmt. Außerdem hat sich der Boden des Pariser Beckens wie ein Schwamm mit Regenwasser vollgesogen, kann also nichts mehr aufnehmen. Fehlende Wälder und die Urbanisierung sorgen dafür, dass sich das Wasser schnell und ungebremst seinen Weg bahnt, ehe es ins Meer abfließen kann. Auch ist die Seine als „fauler Fluss“ bekannt. Durch die platte Ebene hat sie wenig natürlichen Antrieb und kann leichter ihr ursprüngliches Flussbett verlassen.

Derzeit ist der Wasserpegel der Seine noch nicht beunruhigend hoch. Doch spätestens im Frühjahr könnte sich das rasch ändern. Deshalb bereitet sich die Seine-Metropole lieber auf den Fall der Fälle vor.

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