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Paradies: Glaube - Trailer und Kritik zum Film

Mit dem zweiten Teil seiner "Paradies"-Trilogie, diesmal mit dem Zusatztitel "Glaube" versehen, widmet sich der österreichische Regisseur, Autor und Produzent einer streng katholischen Krankenschwester, die missionarisch von Haus zu Haus zieht und deren ägyptischer Mann nach längerer Abwesenheit plötzlich wieder bei ihr daheim auftaucht. Alle Spielzeiten auf einen Blick

Auch wenn die Konstellation recht konstruiert klingt, hat der beklemmende Film bei der Pressevorführung am Donnerstagabend doch zahlreiche Lacher und anhaltenden Applaus geerntet. Nicht selten bleibt einem das Lachen dabei im Halse stecken.

In “Paradies: Liebe”, dem ersten Teil, hatte Seidl die Behindertenbetreuerin Teresa bei ihrem Sexurlaub in Kenia porträtiert. Der zweite Film, der heute, Freitag, am frühen Abend nur wenige Monate danach ebenfalls im Wettbewerb eines wichtigen A-Festivals seine Uraufführung feiert, folgt Teresas Schwester Anna Maria (Maria Hofstätter), die anfangs noch wie frisch verliebt wirkt. Der im wahrsten Sinne des Wortes Angebetete ist Jesus, für den sie sich vor dem Kreuz angesichts der Triebhaftigkeit der Menschen sogar selbst geißelt, mit dem sie im Lauf der Zeit aber auch eine lustvolle Beziehung verbindet – bis hin zum durchaus ungewöhnlichen sexuellen Kontakt.

Seidl seziert Katholizismus und Körperlichkeit

In ihrem Urlaub sieht sich Anna Maria als Botschafterin, mit einem plastischen Abbild der Heiligen Maria unter dem Arm und demütigen Kirchenliedern auf der Zunge. Dass sie in den Wiener Altbauwohnungen nur selten auf offene Ohren, aber zumindest immer wieder auf eigenwillige Gesprächspartner trifft, fängt Seidl in bekannt dokumentarischem Stil ein. Ansonsten beeindruckt auch diesmal wieder die Kadrierung der Kameramänner Wolfgang Thaler und Ed Lachman, sei es mit der Protagonistin beim Keyboardspielen, an der Bahnhaltestelle oder im Betkreis, wo einschlägige Parolen ausgegeben werden: “Wir sind die Speerspitze des rechten Glaubens, wir sind der Sturmtrupp der Kirche, wir schwören dir, dass Österreich wieder katholisch wird.”

Die überzeichnet wirkende Darstellung, die in manchen Zügen an Seidls Doku “Jesus, Du weißt” (2003) erinnert, lässt “Paradies: Glaube” streckenweise wie eine Komödie daherkommen – doch es wäre wohl kaum ein Werk des kontroversen Filmemachers, wenn sich nicht verstörende Ambivalenzen einschleichen und weitere Ebenen auftun würden. In diesem Fall taucht zur Hälfte der Geschichte der Gatte von Anna Maria plötzlich wieder auf, ein gläubiger Muslim, der seit einem Unfall gelähmt ist und der sich nach und nach mehr Raum im großen Haus erobert. Nabil (Nabil Saleh) lässt sich bedienen, vom Fernsehen bis zum Nagelschneiden in der Badewanne, und wird angesichts seiner Behinderung immer verbitterter.

Was für Anna Maria vor allem eine Prüfung Gottes darstellt, entwickelt sich zum drastischen häuslichen Kleinkrieg, in dem die Ehe ebenso programmatisch am Spiel steht wie die Religion. Zentral ist aber, wie auch schon im ersten Teil der Trilogie, die Sehnsucht nach Liebe und Glück, die Teresa und Anna Maria verbindet – wenn auch ihre Wege völlig unterschiedlich sind. Dass beide Figuren in ihrem Streben scheitern, teilen sie mit der dritten Figur des filmischen Dreigestirns, der übergewichtigen Tochter von Teresa, die in “Paradies: Hoffnung” in einem Diätcamp ihre erste Liebe erlebt. Der letzte Film ist noch nicht veröffentlicht – ob es für “Paradies: Glaube” zu einem Goldenen Löwen reicht, wird sich am 8. September herausstellen.

(APA)
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