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Palästinenser wählen am Sonntag Präsidenten

Zwei Monate nach dem Tod von Yasser Arafat wählen die Palästinenser am Sonntag einen neuen Präsidenten. Als aussichtsreichster Kandidat galt Mahmud Abbasm (Abu Mazen).

Der Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) lag letzten Umfragen zufolge mehr als 30 Prozentpunkte vor dem unabhängigen Bewerber Mustafa Barghuti.

Abbas hatte im Vorfeld des Votums trotz Kritik radikaler Organisationen zum Gewaltverzicht aufgerufen. Sein Sieg könnte neuen Friedensverhandlungen mit Israel den Weg ebnen. Die Autonomiebehörde warf der israelischen Regierung am Samstag vor, nicht wie zugesagt den Wählern den Zugang zu den Wahllokalen zu erleichtern.

Insgesamt sieben Kandidaten stellten sich in der zweiten freien Präsidentschaftswahl in den Palästinensergebieten nach 1996 den Wählern. Als haushoher Favorit galt der Arafat-Weggefährte und Mitbegründer der einflussreichsten Palästinenserorganisation Fatah, PLO-Chef Abbas. Der 69-Jährige gilt als Mann des Ausgleichs und wird von Israel und der internationalen Gemeinschaft als Verhandlungspartner akzeptiert. Seine Aufrufe zu einer gewaltfreien Intifada werden aber vor allem von jungen radikalen Palästinensern abgelehnt. Im Wahlkampf hatte Abbas Punkte gesammelt, indem er sich als rechtmäßiger Nachfolger Arafats präsentierte. Für einen Sieg reicht ihm eine einfache Mehrheit.

Abbas stärkster Mitbewerber Barghuti konnte laut Umfragen mit bis zu 28 Prozent der Stimmen rechnen. Der Generalsekretär der Palästinensischen Nationalbewegung trat im Wahlkampf gegen Vetternwirtschaft und Korruption im palästinensischen Machtapparat an. Die islamistischen Gruppierungen Hamas und Islamischer Dschihad riefen zum Boykott des Votums auf. Nach Angaben der Wahlkommission schrieben sich dennoch 1,3 der 1,8 Millionen Wahlberechtigten, etwa 70 Prozent, in die Wahllisten ein. 1074 Wahllokale sollten von 06.00 Uhr bis 18.00 Uhr (MEZ) öffnen. Erste vorläufige Ergebnisse werden Montag Früh bekanntgegeben.

Vor allem in Ost-Jerusalem, das seit 1967 von Israel besetzt ist, kämpften die Wähler mit Beschränkungen. Weil Israel den annektierten arabischen Teil als eigenes Hoheitsgebiet betrachtet, dürfen die Wähler nur in fünf Postämtern und zwölf Wahlstationen in Vororten ihre Stimme abgeben. Von den geschätzten 120.000 wahlberechtigten Arabern in Ost-Jerusalem ließen sich 5400 registrieren. Im Westjordanland und im Gazastreifen rechnete die Wahlkommission mit einer großen Wahlbeteiligung. „Die Menschen sind hoch motiviert, sie kennen die Kandidaten“, sagte ein Sprecher.

Die Autonomiebehörde rief die israelische Regierung auf, die Wege für die palästinensischen Wähler frei zu halten und Beschränkungen wie Kontrollpunkte aufzuheben. „Bisher hat sich nichts geändert. Die Barrieren sind immer noch da“, kritisierte Chefunterhändler Saeb Erakat in Ramallah. Nach dem tödlichen Anschlag auf einen israelischen Soldaten hatte Israel kurz zuvor damit gedroht, seine Maßnahmen zur Erleichterung der Wahl zu überdenken. Ex-US-Präsident Jimmy Carter und der sozialistische Europa-Abgeordnete Michel Rocard übermittelten die Warnung an die Autonomiebehörde, wie der israelische Rundfunk berichtete.

Carter und Rocard hielten sich als Wahlbeobachter in den Palästinensergebieten auf. Etwa 16.000 Mitarbeiter der Wahlkommission, 6000 lokale sowie hunderte internationale Beobachter, darunter auch die ÖVP-Europaabgeordnete Ursula Stenzel, wollten den korrekten Ablauf der Wahl überwachen. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana wurde am Sonntagabend in Ramallah erwartet, wo er Abbas und Regierungschef Ahmed Korei (Abu Ala) reffen wollte.

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