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Palästina-Wahlen: Verstärkte Spannungen

Wenige Tage vor der palästinensischen Präsidentenwahl am Sonntag verstärken sich die Spannungen im Nahen Osten. 12 israelische Soldaten wurden durch eine Rakete verletzt und ein Palästinenser wurde erschossen.

Bei einem palästinensischen Raketenangriff auf einen Militärstützpunkt im Süden Israels sind am Mittwoch zwölf israelische Soldaten verletzt worden, einer von ihnen schwer. Am frühen Morgen kam es am Grenzübergang Erez im Norden des Gaza-Streifens zu einem Schusswechsel, bei dem ein Palästinenser von einem israelischen Offizier erschossen wurde. Der Mann habe einen Sprengsatz gezündet und den Offizier mit Handgranaten bedroht, hieß es. Bei der anschließenden Schießerei seien drei palästinensische Polizisten verletzt worden. Der Erez-Übergang wurde von den Israelis gesperrt, hunderte palästinensische Mekka-Pilger saßen fest.

Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Korei unterstrich bei einem Treffen mit dem österreichischen Nationalratspräsidenten Andreas Khol in Ramallah, dass die Palästinenser einen gerechten Frieden erreichen wollten, doch würden die Israelis ständig Störmanöver veranstalten. Die Europäer sollten in der region eine größere Rolle spielen, sobald es zu ernsthaften Verhandlungen komme, denn man sollte die Palästinenser nicht allein dem israelischen Regierungschef Ariel Sharon überlassen. Korei betonte, dass er und der PLO-Vorsitzende und voraussichtliche künftige Präsident Mahmud Abbas gegen die Attacken in Israel seien und von Israel einen gegenseitigen Waffenstillstand erwarteten.

Der amtierende Parlamentsvorsitzende Hassan Khreishi kritisierte im Gespräch mit Khol, dass die Israelis ungeachtet ihrer Versprechen die palästinensischen Städte noch nicht geräumt hätten. Er klagte über die israelischen Sperren und Kontrollpunkte, die eine Bewegungsfreiheit für die palästinensischen Abgeordneten fast unmöglich machten. „Wir brauchen Ihre Hilfe, um unsere Kinder vor der israelischen Aggression zu schützen“, sagte Khreishi.

Eine israelische Panzergranate hatte am Vortag in Beit Lahia im nördlichen Gaza-Streifen acht Palästinenser getötet, darunter vier Jugendliche. Abbas hatte daraufhin Israel als „zionistischen Feind“ verurteilt. UNO-Generalsekretär Kofi Annan äußerte sich besorgt über die israelische Militäroffensive. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana wird zur palästinensischen Präsidentenwahl reisen; die EU hat insgesamt 260 Wahlbeobachter entsandt, der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter leitet seinerseits eine 80-köpfige internationale Beobachtermission. Die ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament, Ursula Stenzel, wird die Wahl in Ostjerusalem beobachten. In einer Aussendung bezeichnete sie den aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten, PLO-Chef Mahmud Abbas, als „Hoffnungsträger für die Region und eine friedliche Lösung des Konflikts“.

Der israelische Premier Sharon hat Armee und Polizei zu einem härteren Durchgreifen gegen gewalttätige Siedler aufgefordert. Er reagierte damit am Mittwoch auf Konfrontationen zwischen Soldaten und Siedlern bei der Räumung eines „Außenpostens“ im Westjordanland am Vortag. „Es wird keinen Kompromiss geben. Wer auch immer die Hand gegen Sicherheitskräfte erhebt, gegen den gehen wir mit ganzer Kraft vor“, sagte Sharon. „Wenn sie illegal Bauten errichten, sollten wir mit niemandem verhandeln. Wir sollten diese sofort einreißen“, fügte er hinzu. Vize-Verteidigungsministers Zeev Boim hatte gewarnt, die Räumung des Gaza-Streifens könnte an massenhafter Befehlsverweigerung von Soldaten scheitern.

In Jerusalem tauchte unterdessen ein Flugblatt auf, auf dem sich eine bisher unbekannte Gruppe mit dem Namen „Freies Volk von Galiläa“ zur Entführung einer seit eineinhalb Jahren vermissten Israelin mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft bekennt. Als Gegenleistung für Informationen über das Schicksal von Dana Bennet wurde die Freilassung von 1000 palästinensischen Häftlingen gefordert. Die israelischen Geheimdienste überprüften das Schreiben.

Israel will Abbas Wahlkampf in Ost-Jerusalem erlauben

Israel will dem palästinensischen Präsidentschaftskandidaten und PLO-Vorsitzenden Mahmud Abbas (Abu Mazen) Wahlkampfauftritte in Ost-Jerusalem erlauben. Wenn die Palästinenser eine entsprechende Anfrage stellten, werde die Regierung diese „vorteilhaft prüfen“, sagte ein hochrangiger israelischer Regierungsvertreter am Mittwoch in Jerusalem. Allerdings setze Israel voraus, dass der PLO-Chef nicht vorhabe, den Tempelberg zu besuchen. „Wir denken nicht, dass die Palästinenser dies beantragen werden, aus Gründen der persönlichen Sicherheit Abu Mazens“, sagte der Regierungsvertreter. Es gebe Drohungen bewaffneter Gruppen, die vom Iran finanziert würden und eine Präsidentschaft von Abbas verhindern wollten.

Abbas gilt als Favorit bei der am Sonntag stattfindenden Präsidentenwahl im Westjordanland (mit Ost-Jerusalem) und Gaza-Streifen . Die Vereinten Nationen hatten die Annexion des im Sechs-Tage-Krieg 1967 besetzten arabischen Ostteils von Jerusalem durch Israel für illegal erklärt. Israel hatte ganz Jerusalem zu seiner „ewigen und unteilbaren“ proklamiert. Für blutige Konflikte sorgte im September 2000 der Tempelberg-Besuch des damaligen oppositionellen Likud-Politikers Ariel Sharon (heute israelischer Premier). Die palästinensischen Proteste, die durch den als Provokation empfundenen Besuch ausgelöst wurden, werden als „Al-Aksa-Intifada“ oder „Zweite Intifada“ bezeichnet. (Die erste Intifada gegen Israel dauerte von 1987 bis 1993).

Israel hat den Palästinensern in Ost-Jerusalem für die Präsidentschaftswahl die gleichen Einschränkungen auferlegt wie 1996. Wahlkampfveranstaltungen dürfen nur in privaten Räumlichkeiten stattfinden, für die Wähler stehen fünf Wahllokale zur Verfügung. Der verstorbene Präsident Yasser Arafat hatte nie nach Ost-Jerusalem reisen dürfen.

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