Vorliegende Informationen über die Sicherheitsvorkehrungen der geheimen Anlagen lassen die Gefahr eines direkten Angriffs der Taliban auch recht gering erscheinen. Beunruhigender finden manche Experten die Möglichkeit, dass die Einrichtungen von radikalen Islamisten unterwandert werden könnten.
Strenge Überprüfungen des Personals sollen das zwar verhindern. Doch ist es durchaus schon vorgekommen, dass Insider Informationen und Material weitergaben. So betrieb der “Vater” der pakistanischen Atombombe, der Wissenschaftler Abdul Qadeer Khan, jahrelang ein weltweites Atomschmuggel-Netzwerk. Der US-Geheimdienst CIA bestätigte ferner, dass sich Mitarbeiter Khans vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mit Osama bin Laden trafen.
Das Thema Atomsicherheit dürfte auch eine Rolle spielen, wenn Zardari mit Obama zusammentrifft, um über den Taliban-Aufstand zu beraten. Teile der Taliban sind mit Al-Kaida verbunden und sollen den Chef des Terrornetzwerks jahrelang im unwegsamen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan versteckt haben. Bin Laden seinerseits hat wiederholt Interesse an Atomwaffen gezeigt. Auf nukleare und chemische Waffen angesprochen, hatte er es 1998 als “religiöse Pflicht” bezeichnet, sich Waffen zur Verteidigung der Muslime zur verschaffen.
Bereits die – Ende 2007 ermordete – frühere pakistanische Ministerpräsidentin Benazir Bhutto hatte davor gewarnt, dass Verbündete von Al Kaida Zugriff auf Atomwaffen gewinnen könnten, wenn es nicht gelinge, die Taliban unschädlich zu machen. Auch der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO bzw. IAEA), Mohammed ElBaradei, bezeichnet es als größte Gefahr, dass die Atombombe Terroristen in die Hände fallen könnte.
Soweit man weiß, sind vielschichtige Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Atomsprengköpfe werden mutmaßlich getrennt von den Trägersystemen aufbewahrt, der nukleare Kern separat vom Zünder. Die Waffen sind auf bis zu sechs Orte verteilt. Zudem sind sie nach pakistanischen Angaben mit Code-Schlössern gesichert, wobei mindestens zwei Personen die Freigabe aus den Lagern bestätigen müssen. Die Depots werden von speziell ausgebildeten Soldaten bewacht und sind mit Sensoren und anderen Überwachungseinrichtungen geschützt. Mitarbeiter in sicherheitsrelevanten Bereichen werden regelmäßig vom Geheimdienst überprüft.
Die Sicherheitsmaßnahmen seien in den vergangenen drei Jahren deutlich verbessert worden, bestätigte US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen. William Tobey, früher bei der US-Atomsicherheitsbehörde, beschrieb die zuständigen Beamten als “ausgebildet und professionell”. Die pakistanische Regierung sei hochmotiviert, ihr Atomarsenal zu schützen.
Dennoch besteht die Sorge, Insider könnten Sympathien für die Sache der Islamisten hegen. Letztere vergöttern den Nationalhelden Khan geradezu dafür, dass er Pakistan zur ersten muslimischen Atommacht gemacht hat. Zudem sind die pakistanischen Streitkräfte vom Westen weitgehend abgekoppelt, seit dieser die Ausbildung pakistanischer Offiziere nach dem Atomtest von 1998 stoppte. Zwar wurden seither einige Kontakte wieder aufgenommen, doch hat sich bei manchen inzwischen ranghohen Offizieren eine antiamerikanische Haltung festgesetzt.
Das pakistanische Militär sei ernst zu nehmen und hoch diszipliniert, meint der Sicherheitsexperte und frühere CIA-Stationschef in Islamabad, Robert Grenier. Doch er sieht auch die Gefahr, dass einige möglicherweise “ein gewisses Maß an Sympathie für die Ziele, wenn nicht für die Methoden der Militanten hegen”.
Zudem haben sich die Ziele der pakistanischen Taliban selbst gewandelt, seitdem sie sich mit den radikaleren Gesinnungsgenossen aus Afghanistan mischen. Waren sie zunächst vorwiegend auf Autonomie von Islamabad aus, sind sie heute “auf andere Weise radikal”, urteilt Hassan Abbas, Sicherheitsexperte und früherer Polizeichef einer Grenzregion. “Sie wollen expandieren, sie wollen ihre Sicht ihres religiösen Dogmas auf ganz Pakistan ausweiten.”