Der pakistanische Ministerpräsident Yousouf Raza Gilani sagte am Donnerstag bei einem Flug in die Krisenprovinz Baluchistan, sein Land benötige noch mehr Hubschrauber, um die Hilfe für die Bevölkerung zu verstärken. Die Reaktion der Regierung auf eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte des Landes war von vielen als zögerlich und lückenhaft kritisiert worden.
Die Überflutungen haben vor zwei Wochen ihren Anfang im Nordwesten des Landes genommen und sich dann südwärts über das Land ausgebreitet. Tausende Dörfer wurden überschwemmt. Rund 1.500 Menschen kamen bisher ums Leben.
Doch nach Einschätzung der nationalen Meteorologiebehörde ist “das Schlimmste noch nicht vorbei”. Behördenchef Qamar-u-Zaman Chaudhry sagte am Donnerstag in Islamabad: ”Die nächsten zehn Tage werden sehr entscheidend sein.” Derzeit rolle eine zweite Flutwelle durch die zentralpakistanische Provinz Punjab. Die Fluten ließen den Fluss Chenab anschwellen und könnten nach Angaben Chaudhrys trotz aller Schutzmaßnahmen die Millionenmetropole Multan treffen.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind bis zu sieben Millionen Pakistaner dringend auf Hilfe angewiesen. Am Mittwoch hatte die UNO um 460 Millionen US-Dollar (rund 350 Millionen Euro) an Soforthilfe gebeten, um den Opfern Zelte, Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und Medikamente zu bringen und die hygienischen Verhältnisse zu verbessern.
Die angerichteten Ernteausfälle und die Schäden an Brücken und Straßen haben zu einer Verdreifachung der Lebensmittelpreise in Teilen des Landes geführt. Die Naturkatastrophe hat auch ihren Schatten auf den Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan beworfen. Die normalerweise religiös-festliche und gesellige Stimmung in der muslimischen Bevölkerung in dieser Zeit hat in diesem Jahr dem Elend, dem nackten Kampf ums Überleben und der Angst vor der Zukunft Platz gemacht.
“Ramadan hin oder her: Wir verhungern schon jetzt”, erklärte die 50-jährige Mai Hakeema, die in einer Zeltstadt am Rande der Stadt Sukkur Zuflucht gefunden hat. “Wir sind zum Fasten gezwungen, und wir trauern über unsere Verluste.”
Mufti Muneebur Rehman, einer der höchsten Geistlichen Pakistans, hat es notleidenden Gläubigen freigestellt, auf das Fasten zu verzichten und dies später nachzuholen. Im Nordwesten Pakistans mit seinen besonders strenggläubigen Bewohnern wollen Flüchtlinge aber trotz der Katastrophe den Ramadan begehen. “Ich kann Gott den Gehorsam nicht verweigern”, erklärte der 47-jährige Fazal Rabi in einer Zeltstadt in Akbarpura. “Daher faste ich, denn das ist Teil meines Glaubens, egal wie die Umstände auch sind.”
Die Vereinten Nationen rechnen mit Schäden von mehreren Milliarden US-Dollar für die Landwirtschaft. Die Zerstörung der Bestände sei gewaltig, sagte ein UN-Sprecher am Donnerstag. Die Landwirtschaft macht mehr als ein Fünftel der Wirtschaftsleistung des Landes aus, hier arbeitet fast jeder zweite Beschäftigte.