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Outing - Kritik zum Film

Ein gewagtes Thema haben Sebastian Meise und Thomas Reider bereits mit ihrem im Herbst bei der Viennale präsentierten Spielfilm "Stillleben" aufgegriffen, in dem eine Familie herausfindet, dass der Vater unausgelebte pädophile Neigungen hat.

Parallel haben die jungen Filmemacher auch an einer Doku gearbeitet, die gestern, Mittwoch, im Rahmen der Diagonale uraufgeführt wurde – und die noch ein viel stärkeres Unbehagen auszulösen vermag. Denn der über vier Jahre begleitete Protagonist Sven steht zu seiner Pädophilie und spricht in “Outing” offen über seine Ängste, Wünsche und Sehnsüchte.

Pädophilen-Doku “Outing” löst Unbehagen aus

Sven ist ein junger Archäologe aus Deutschland, der im Alter von 15 Jahren herausfindet, dass er sich zu Kindern sexuell hingezogen fühlt. “Da habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen”, erzählt er vom Beginn seines jahrelangen inneren Kampfes. “Für mich ist ganz klar, jeglicher sexueller Kontakt mit Kindern ist tabu.” Doch im Laufe der Doku verschieben sich langsam die Grenzen, fängt Sven an, sich mit Jungen zu treffen, schläft mit einem kleinen Buben im Bett. Auch wenn nichts geschieht, das Unwohlsein wächst im Verlauf der Doku. Und selbst wenn Sven ein reflektierter Mensch ist, bleibt das Unbehagen.

Meise und Reider versuchen, die Erzählung in ein Gesamtbild des Porträtieren einzubetten, von Kindheitsvideos bis zu Fotoalben, von Univorträgen bis zu Therapiebesuchen. Aus Mobbing und Demütigungen in der Schule erwächst die Sehnsucht nach Akzeptanz und einem “gemocht werden”. In der Familie steht das Thema im Raum, aber wird nicht ausgesprochen – bis die Regisseure Sven am Schluss des Films zu seinen Eltern begleiten, die ebenso wie Therapeuten und Fachleute nach Erklärungen suchen.

Der Film bleibt zumeist auf einer persönlichen Ebene und spiegelt im Protagonisten die schwierige Auseinandersetzung mit der Thematik wider. Meise und Reider trennen präzise zwischen der Neigung und dem möglicherweise daraus folgenden Missbrauch und sind mit ihren Fragen auch stets Teil der Doku. Immerhin 300.000 Menschen sollen in Deutschland laut einer Studie der Charite pädophile Neigungen haben. Zum Auftakt heißt es dann auch prominent: “Jeder Mensch hat das Recht auf seine eigene Persönlichkeit.” Dieser Ansatz wird auch mit dem Film konsequent verfolgt.

(APA)

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