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Osteoporose: Viel Diagnostik, zu wenig Therapie

Hinweise auf schwere Mängel in Sachen Osteoporose-Versorgung in Österreich: Bei der Massenerkrankung „Knochenschwund“ gibt es offenbar viele Diagnosen mit der doppelten Zahl an Geräten zur Knochendichtemessung im Vergleich zu den EU-Empfehlungen.

Doch bei der Zahl der Hüftgelenksfrakturen ist Österreich in Europa fast Spitze. Dafür bekommen nur 17 Prozent der Osteoporose-Patienten eine gezielte Therapie.

Für die Behandlung von knochenschwundbedingten Frakturen werden in Österreich wiederum europaweit Rekordausgaben getätigt. Dies ist das Fazit des 1. Österreichischen Osteoporoseberichts, der am Montag in Wien vorgestellt wurde.

„Gerade die Osteoporose ist eine Erkrankung, die am Anfang sehr oft unbemerkt verläuft. (…) Derzeit leiden in Österreich rund 700.000 Menschen an Osteoporose. Das Verhältnis von erkrankten Frauen zu erkrankten Männern beträgt drei zu eins. (…) Mit einer Rate von 19,7 hüftgelenksnahen Frakturen pro Jahr bezogen auf 10.000 Einwohner über dem 65. Lebensjahr liegt Österreich damit im europäischen Spitzenfeld. Das verursacht jährliche Kosten von 498 Millionen Euro für den Akut- sowie 1,2 Mrd. Euro für die Nachversorgung. Auch damit liegt Österreich im Spitzenfeld“, stellte Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (V) bei einer Pressekonferenz einen Teil der Misere dar.

Der zweite Teil ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Zahlen von Betroffenen und der in Österreich auch wirklich in Anspruch genommenen Therapien gegen einen diagnostizierten Knochenschwund. Die Osteoporosebericht-Hauptautorin, die Wiener Sozialmedizinerin Anita Rieder: „In Österreich haben bis zu 740.000 Menschen über 50 eine Osteoporose, davon 617.000 Frauen. Aber nur 130.000 bis 140.000 Personen werden mit Osteoporose-Medikamenten behandelt. Das ist nicht viel. (…) In Deutschland erhalten 22 Prozent der Patienten eine Behandlung, bei uns sind es 17 Prozent. Es ist wahnsinnig viel zu tun.“

Das Mosaik einer – offenbar seit Jahren – in Österreich schief laufenden Planung im Gesundheitswesen wird schließlich durch zwei weitere „Steinchen“ perfekt gemacht: Mit 19,7 Geräten zur Knochendichtemessung auf eine Million Einwohner liegt die Alpenrepublik beim Doppelten der von der EU empfohlenen Zahl (10,6 pro Million Einwohner). Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Franz Bittner: „Wir sind Weltmeister in der Indikationsstellung (Diagnose, Anm.) und ziemlich schlecht in der Therapie.“

Offenbar werden somit in Österreich vergleichsweise häufig Knochendichtemessungen entweder bei den falschen Personen oder nachfolgend ohne entsprechende Therapie durchgeführt. Das kostet mit Sicherheit viel Geld, ohne einen Nutzen zu haben. Bittner: „Die ’Bildermacher’ verdienen ganz gut in Österreich. Wenn die Untersuchten aber eine Osteoporose haben, bekommen wenige eine Therapie.“ Untersuchungen hätten gezeigt, dass oft Frauen weit vor dem 65. Lebensjahr – also von der Erkrankung noch kaum Betroffene – bei den Untersuchungen landeten.

Beim krankhaften Knochenschwund kommt es – abgesehen von der Prävention mit dem Kindesalter – darauf an, bei ersten Anzeichen eines verstärkten Knochendichteverlustes durch medikamentöse Therapien und Lebensstiländerungen vor allem Frakturen wie Oberschenkelhalsbrüche, Wirbelkörpereinbrüche oder Unterarmfrakturen (Stürze) zu verhindern.

Der vierte traurige Bestandteil der Misere: Wenn einmal ein schwerer Knochenbruch durch Osteoporose bei einem Österreicher vorhanden ist, sind die Behandlungskosten dann vergleichsweise hoch.

Das Gesundheitswesen zahlt also offenbar massiv für die Versäumnisse davor. Bittner: „Die Schweden geben für die Behandlung einer hüftgelenksnahen Fraktur 10.000 Euro aus. Wir geben dafür 30.000 Euro aus.“

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