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Ostdeutsche entwickeln gesonderte Identität

Zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung fühlt sich jeder fünfte Ostdeutsche als „richtiger Bundesbürger“, nur zehn Prozent wünschen sich die DDR zurück.

Dies geht aus dem Sozialreport 2002 zur sozialen Lage im Osten hervor, den das Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum (SFZ) Berlin-Brandenburg am Freitag in Berlin vorlegte. Demnach gaben gut zwei Drittel der befragten Ostdeutschen an, dass sie weder die DDR zurückhaben wollten noch sich in der Bundesrepublik richtig wohl fühlten. Insgesamt habe sich in den vergangenen Jahren eine neue Identität der Ostdeutschen als gesonderte Teilgruppe in der Bundesrepublik entwickelt, betonte SFZ-Geschäftsführer Gunnar Winkler bei der Vorstellung der Studie.

Diese Ost-Identität werde unter anderem deutlich durch eine starke Verbundenheit der Ostdeutschen mit der „Region neue Bundesländer“, die größer sei als diejenige zur Heimatgemeinde, zum jeweiligen Bundesland und zum Gesamtstaat Bundesrepublik. Außerdem habe sich bei der Befragung ein systemkritisches Verhalten gezeigt, das auf Veränderungen durch Reformen und Beseitigung von Defiziten im Rahmen des Systems ziele, aber nicht auf dessen Überwindung. „Insgesamt ist festzustellen: ’Die’ unzufriedenen Ostdeutschen gibt es nicht; sie sind zufrieden, wenn auch mit rückläufiger Tendenz“, betonte Winkler. „Die Stimmung im Osten ist nicht mehr besser als die Lage, sondern auf die reale abgesunken.“

Der Repräsentativerhebung zufolge äußerten sich 48 Prozent der im Mai und Juni befragten 2103 Ost-Bürger mit ihrem Leben alles in allem zufrieden, zehn Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren. 39 Prozent waren teilweise zufrieden, zwölf Prozent unzufrieden, zwei Prozent machten keine Angaben. Die Wiedervereinigung sehen demnach 36 Prozent der Ostdeutschen eindeutig als Gewinn. 38 Prozent stuften Gewinne und Verluste bei der Einheit in etwa als gleich groß ein; 26 Prozent sahen mehr Verluste. Insgesamt sehen die Autoren der Studie weiterhin die Gefahr, dass sich Resignation und Fehlen von gesellschaftlichen Mitwirkung in Ostdeutschland verfestigen. Es sei weiter ein Rückzug in eine „Zuschauerdemokratie“ zu beobachten, die sich auf „reine Beobachter- und Kritikerpositionen“ beschränke.

Laut dem von Hans-Böckler-Stiftung und Volkssouveränität Bundesverband geförderten Sozialreport bewiesen die Bürger in den neuen Ländern zudem seit 1990 eine ausgeprägte berufliche Mobilität. So übten 2002 im Vergleich zu 1998 nur noch 63 Prozent dieselbe Tätigkeit aus; 14 Prozent haben eine Stelle in einem ähnlichen Bereich, 20 Prozent gingen einer anderen Tätigkeit nach.

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