ORF-Sommergespräch: Nehammer kündigt "Gewaltanstrengung" bei Kinderbetreuung an

Bundeskanzler Karl Nehammer will bis 2030 gemeinsam mit den Ländern 4,5 Milliarden zur Verfügung stellen, um die Betreuungslücke im Alter zwischen ein und drei Jahren zu schließen, das kündigte der ÖVP-Obmann im ORF-"Sommergespräch" an.
Nehammer im ORF-Sommergespräch: Anschubfinanzierung soll Versorgungslücke bei Kinderbetreuung schließen
Bundeskanzler Nehammer sprach was die Kinderbetreuung angeht von einer "Gewaltanstrengung". Man habe derzeit in der Gruppe der ein- bis zwei-Jährigen ebenso eine Versorgungslücke wie bei den zwei- bis drei-Jährigen. Um diese zu schließen, sollen den Gemeinden entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dabei betonte Nehammer, dass es nicht um eine Anschubfinanzierung gehen soll, sondern um einen "kontinuierlichen Weg", bei dem die Personalkosten unterstützt werden sollen.
Einen Rechtsanspruch wollte der VP-Chef nicht ausschließen. Davor müsse aber die Infrastruktur bereit stehen und genug Personal gefunden sein. Denn sonst würde man falsche Erwartung wecken. Nach Informationen aus Nehammers Büro soll die Betreuungsquote ab dem zweiten Lebensjahr von aktuell 60 Prozent bis 2030 auf 90 Prozent angehoben werden. Wie der Kanzler betonte, soll es nicht an der Kinderbetreuung scheitern, dass Frauen arbeiten können.
Schwarz-Türkis wird laut Nehammer planmäßig bis Herbst 2024 regieren
Dass die Regierung plangemäß bist kommenden Herbst weiter amtiert, steht für Nehammer außer Frage. Er sei mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) einig, noch vieles abarbeiten zu wollen. Der VP-Obmann geht dabei etwa davon aus, dass das Informationsfreiheitsgesetz mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses kommen wird. In dieser Frage sei man zu 90 Prozent fertig. Das noch Schwierige sei, eine Regelung zu finden, die in kleinen Gemeinden zu keinem Kollaps in der Verwaltung führe.
Zurückhaltender äußerte sich Nehammer zum Klimaschutzgesetz. Wiederholt betonte er Maßnahmen, die die Regierung bereits in Sachen Klimaschutz gesetzt habe. Durch das Klimaschutzgesetz alleine würde sich nichts ändern. Ohnehin will Nehammer vor allem auf Innovation setzen: "Die Dampfmaschine ist nicht verboten worden, sondern durch besseres ersetzt worden."
Nehammer hält in ORF-Sommergespräch weitere Schritte bei Mieten für möglich
Offen ist für den Kanzler noch, ob bei der Mietbremse auch die freien Mietverträge nachträglich einbezogen werden könnten. Man suche noch nach einer Lösung, hier handle es sich aber um keine triviale Frage, da manche Regelungen sogar zu höheren Mieten führen könnten. Wenn es jedoch möglich sei, einen sinnvollen Modus zu schaffen, werde man das auch tun.
Im Ukraine-Krieg stellte sich Nehammer einmal mehr klar gegen die russische Aggression und betonte, den Strafgerichtshof zu unterstützen, sieht doch auch er Wladimir Putin als Kriegsverbrecher. Dass Österreich weiter Gas aus Russland bezieht, begründete der Kanzler unter anderem mit noch fehlenden Alternativen. Man habe aber schon im Vorjahr begonnen, sich von Russland unabhängiger zu machen.
Koalition mit Kickl für Nehammer ausgeschlossen
Einmal mehr grenzte sich Nehammer klar von FPÖ-Chef Kickl ab, dem er unter anderem in Zusammenhang mit Sky Shield vorhielt, das russische Narrativ weiter zu erzählen. Auch das umstrittene Video der Jungen FPÖ mit diversen rechtsextremen Anspielungen verurteilte der VP-Obmann und meinte, dieses stehe klar unter Kickls Einfluss. Das Video hätte auch von den Identitären stammen können, findet Nehammer. Dies alles verbunden mit der Gefährdung der Bevölkerung durch Kickls Corona-Aussagen und der totalen Zerstörung des Verfassungsschutzes unter ihm als Innenminister mache den freiheitlichen Obmann zu einem Sicherheitsrisiko: "Es wird mit mir keine Regierung mit Herbert Kickl geben."
Dagegen stärkt Nehammer weiter Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Rücken: "Ich glaube an die Unschuld von Sebastian Kurz". Er vertraue hier der unabhängigen Gerichtsbarkeit.
668.000 Zuschauer bei ORF-Sommergespräch mit Nehammer
Das von Susanne Schnabl im Parlament geführte ORF-Sommergespräch mit ÖVP-Chef Nehammer verfolgten im Schnitt 668.000 Zuschauer auf ORF 2 bei einem Marktanteil von 27 Prozent. Damit war das Interesse niedriger als im Vorjahr, als 747.000 Zuseher bei 29 Prozent Marktanteil dabei waren.
Insgesamt sahen rund 2,8 Millionen Personen und damit 37 Prozent der heimischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren zumindest kurz bei einem "Sommergespräch" zu. Die Durchschnittsreichweite der einzelnen Gespräche betrug 629.000 Zuseher bei 25 Prozent Marktanteil und sank somit gegenüber dem Vorjahreswert, als durchschnittlich 723.000 Personen bei 27 Prozent Marktanteil die von Tobias Pötzelsberger und Julia Schmuck auf der Terrasse des ORF-Mediencampus geführten Gespräche verfolgten.
ORF-Sommergespräch mit Babler mit den meisten Zuschauern
Publikumsträchtigstes Interview der heurigen Gesprächsreihe war voraussichtlich jenes mit SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler (743.000 Zuschauer), der den Quotensieger des Vorjahres, FPÖ-Chef Herbert Kickl, auf den zweiten Platz verwies (715.000 Zuschauer). Mit Blick auf die Marktanteile lagen die beiden Politiker nahezu gleich auf. Wer letztlich das Rennen machte, steht aber noch nicht mit Sicherheit fest, da die endgültige Gewichtung für die Gespräche mit Babler und Nehammer noch nicht vorliegt. Diese berücksichtigt die Nutzung von 7-Days-Catch-Up-Diensten und kann demnach erst über eine Woche nach Ausstrahlung vorliegen.
Dass die endgültige Gewichtung durchaus einen Unterschied machen kann, zeigt sich etwa am "Sommergespräch" mit Kickl, wo sich der Zuschauerschnitt von 715.000 (ungewichtet) auf 767.000 erhöhte. Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger legte von 496.000 auf 533.000 Zuseher zu. Bei Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) war der Zuwachs dagegen verhältnismäßig überschaubar. Die Quote steigerte sich von 424.000 auf 437.000 Zuschauern.
Viele Zuschauer bei Sommer(nach)gesprächen im ORF
Die "Sommer(nach)gespräche" auf ORF III verzeichneten eine Durchschnittsreichweite von 148.000 Personen bei einem Marktanteil von 10 Prozent. Damit war das Interesse an den von Lou Lorenz-Dittlbacher geführten Gespräche etwas höher als bei ihrem Debüt im Vorjahr (im Schnitt 139.000 Zuseher).
(APA/Red)