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ORF-Diskussion nun Beweismittel

Helmut Elsner saß Dienstagvormittag während der rund eineinhalbstündigen Vorführung der ORF-Diskussion im Gerichtssaal im Wiener Landesgericht in der ersten Reihe des Zuhörerraums.

Elsner saß neben einem Justizwachebeamten und verfolgte die Sendung aufmerksam. Im „Club 2“ im Jahr 1994 saß Elsner als damaliger BAWAG-Vorstand rauchend und manchmal gestikulierend auf einem für die Sendung typischen beigen Ledersessel.

Auch die anderen acht Angeklagten, die mit ihren Verteidigern die ersten drei Reihen des Zuhörerraums besetzten, sowie Journalisten und Zuhörer, verfolgten die über 13 Jahre alte ORF-Diskussionssendung aufmerksam, obwohl die Tonqualität im Großen Schwurgerichtssal nicht ideal war. Richterin Claudia Bandion-Ortner nahm neben der Verteidigerbank Platz. Die „Club 2“-Sendung habe sie als Beweismittel, in Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft, in das Verfahren eingebracht, erläuterte sie vor Journalisten. Die Sendung zeige auch ein „Sittenbild“. Nach der Mittagspause werde sie Elsner Vorhalte zu Aussagen aus der Sendung machen, kündigte die Richterin an.

Im Ablauf des „Club 2“ schilderte der Journalist Herbert Langsner, dass man im Zuge der Recherchen für eine Story über den damaligen BAWAG-Generaldirektor Walter Flöttl auf die Geschäfte der Bank mit dessen Sohn Wolfgang Flöttl gestoßen war. Elsner verteidigte die Bankgeschäfte vehement und bezeichnete im Zuge seiner Ausführungen einmal Journalisten als „Schmierfinken“. Für die Bank seien die Geschäfte „kein besonderes Risiko“ gewesen.

Der deutsche Bankwissenschaftler Wenger widersprach dieser Ansicht. „Stellen Sie sich vor, der Vorstand setzt in einem Casino alles auf die 17, und es kommt die 16“. Auch Androsch meinte, man müsse schon die Frage stellen, was geschehe wenn ein extremes Risiko schlagend geworden wäre, „das soll schon passiert sein“. Ein gewisses Risiko habe es also bei den BAWAG-Geschäften wohl geben müssen. „Ja, aber ein sehr kleines“, räumte Elsner ein.

Solche Risiken aufzunehmen und sie zu verteilen sei ein Charakteristikum des modernen Bankwesens, erläuterte Ewald Nowotny, damals als „Finanzexperte“ im Insert bezeichnet. Heute ist Nowotny – letztlich in Folge der von der BAWAG eingegangenen Risiken – BAWAG-Generaldirektor. Nowotny verwies auf das Bankwesengesetz, das viele Kontrollen vorsehe.

„Wir müssen überhaupt davon ausgehen, dass das gesamte weltweite Kreditsystem risikoreicher geworden ist“, sagte Androsch. Man könne aber nicht a priori jede Tätigkeit in diesem System als „Spekulation im landüblichen Wortsinn“ bezeichnen.

Mike Lielacher monierte, dass das Bankgeheimnis verletzt werde. Der Bankkunde müsse sich doch fragen, „wann steh’ ich in der Zeitung“, wenn so offen über Bankgeschäfte berichtet werde.

Ex-ÖGB-Chef Anton Benya zeigte Verständnis für die BAWAG, „das Geld muss arbeiten“.

Elsner verteidigte die BAWAG-Geschäfte, diese seien im Vorstand „einstimmig genehmigt“ worden. Es habe nicht einmal eine Stimmenthaltung gegeben. Die Geschäfte der BAWAG seien nicht aufsichtsratspflichtig gewesen, „was nicht heißt, dass wir den Aufsichtsrat nicht informiert haben“. Elsner pries schließlich noch das enorme Wachstum der BAWAG: Diese habe sich von einem „kleinem, relativ unbedeutenden“ Haus zu einer „bedeutenden Kommerzbank“ des Landes entwickelt.

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