ORF, Buwog, Klimaschutz: Das beschäftigt den VfGH im ersten Halbjahr 2023

Beim ORF sieht die burgenländische Landesregierung eine verfassungswidrige Bestellung der Gremien. In Sachen Klimaschutz geht es um die Frage, ob eine Schutzpflicht des Staates zur Abwendung von Naturkatastrophen wie dem Klimawandel besteht, hieß es in einer Aussendung des VfGH am Dienstag.
Antrag an VfGH von Grasser zum Buwog-Prozess
Im Zusammenhang mit dem Buwog-Prozess stellte Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser einen Antrag, wonach Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) als verfassungswidrig aufzuheben sind. Und zwar wendet sich Grasser etwa dagegen, dass über die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit, die während der Hauptverhandlung geltend gemacht wird, dieser Richter selbst zu entscheiden hat, ohne dass es dagegen ein eigenes Rechtsmittel gebe. Das verstoße gegen das Recht auf ein faires Verfahren bzw. gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde, so die Argumentation.
Der Antrag richtet sich auch gegen die Regelungen zur Verjährung - und zwar ist Grasser der Ansicht, dass es verfassungswidrig sei, dass der Zeitraum vom Beginn der Ermittlungen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werde. Das habe zur Folge, dass die Dauer eines strafgerichtlichen Verfahrens keiner Beschränkung unterliege, was im Widerspruch zum Grundrecht auf eine angemessene Verfahrensdauer stehe. Im Zusammenhang mit dem Buwog-Prozess sind beim VfGH weitere acht, von Mitangeklagten desselben Verfahrens eingebrachte Anträge anhängig, hieß es.
Der VfGH hat die Bundesregierung aufgefordert, Stellungnahmen abzugeben. Während die Grünen die aktuelle Regel verteidigen wollten, lehnte das Verfassungsministerium dies ab. Heute ist die Frist, bis zu der man eine Stellungnahme hätte abgeben können, ergebnislos abgelaufen, berichtet der "Kurier".
Auch Bestimmungen des ORF-Gesetzes Thema
Der Antrag der burgenländischen Landesregierung bezieht sich auf einige Bestimmungen des ORF-Gesetzes, die den Stiftungs- sowie den Publikumsrat betreffen. Angezweifelt wird darin die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der beiden Kollegialorgane wegen des maßgeblichen Einflusses der Bundesregierung und der Landesregierungen.
Mehrere Anträge zum Thema Klimaschutz
In puncto Klimaschutz bringen fünf Beschwerdeführer - darunter drei Einzelpersonen, eine steirische Gemeinde und die Umweltorganisation GLOBAL 2000 - vor, dass sich aus Art. 2 EMRK nicht nur eine Schutzpflicht des Staates zur Abwendung von Naturkatastrophen und -gefahren ableiten lasse, sondern auch ein Anspruch jedes Betroffenen auf Erlassung geeigneter Maßnahmen. Nach der Rechtsprechung des EGMR ergebe sich auch aus Art. 8 EMRK eine von den Betroffenen einklagbare Verpflichtung des Staates, gesundheitsgefährdenden Umweltbeeinträchtigungen entgegenzutreten.
Ein weiterer Antrag betrifft das Klimaschutzgesetz. Darin bemängeln zwölf Kinder, dass dieses lediglich eine Verhandlungspflicht zur Erarbeitung wirksamer Maßnahmen vorsieht, womit es offensichtlich nicht geeignet sei, die vorgegebenen Klimaschutzziele zu erreichen. Damit verstoße diese Regelung nicht nur gegen den Gleichheitsgrundsatz, sondern auch gegen das im Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern verankerte Grundrecht auf Wahrung des Kindeswohles.
Ferner wird auch die Frage der Sicherstellung von Mobiltelefonen durch einen Antragsteller an den VfGH herangetragen. Einige Gesetzesbestimmungen seien verfassungswidrig, weil ein Handy bereits "unter geringsten Voraussetzungen" sichergestellt werden könne, die Maßnahme aber einen umfassenden Eingriff in die Privatsphäre erlaube. Dies verstoße gegen das Recht auf Privatleben und auf Datenschutz.
VfGH berät über Finanzhilfen in Corona-Pandemie
Und auch über das von ihm von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu den Finanzhilfen in der Corona-Pandemie berät der VfGH im ersten Halbjahr. Konkret wird das Höchstgericht Bestimmungen des ABBAG-Gesetzes auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen. Anlass ist ein Antrag der Wiener Lokalbahnen Verkehrsdienste GmbH (WLV), die sich gegen Bestimmungen in den Richtlinien für die Gewährung eines Fixkostenzuschusses wendet. Der VfGH hat Bedenken, dass die Abwicklung der COVID-19-Finanzhilfen durch die COFAG gegen das Sachlichkeitsgebot und das verfassungsrechtliche Effizienzgebot verstoßen könnte. Auch scheine es den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Verwaltung zu widersprechen, dass die COFAG bei ihrer Tätigkeit nicht unmittelbar Weisungen des Bundesministers für Finanzen unterliegt.
Ebenso berät der VfGH im ersten Halbjahr über eine weitere von ihm von Amts wegen eingeleitete Prüfung. Und zwar nimmt das Höchstgericht die Bestimmungen im Gesetz für die Bundesbetreuungsagentur (BBU-G) sowie im Verfahrensgesetz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA-VG) auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin unter die Lupe. Im Fokus steht dabei die Nähe der BBU vor allem zum Innenministerium und die Unabhängigkeit der Beratung bzw. Betreuung.
(APA/Red)