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Ölpreis: Höhenflug geht weiter

Die Ölpreise an den internationalen Märkten haben am Donnerstag neue Rekordmarken erreicht. Auch angebliche Überkapazitäten können den Markt nicht beruhigen.

So konnte auch die Ankündigung Saudiarabiens, die Förderung bei Bedarf kurzfristig weiter erhöhen zu können, nicht für Entspannung sorgen. Konjunkturexperten machen sich unterdessen zunehmend Sorgen über die hohen Ölpreise. Das anhaltend hohe Niveau gebe „Anlass zur Besorgnis“, hieß es am Donnerstag in Frankfurt bei der Europäische Zentralbank (EZB).

Der Preis für die Nordseesorte Brent ist am Donnerstag in London weiter gestiegen und hat erstmals die Marke von 42 US-Dollar (34,3 Euro) erreicht, 43 Cent mehr als zum Rekordschlusskurs vom Mittwoch. Die New Yorker Referenzsorte Light Sweet Crude verteuerte sich im vorbörslichen Handel um 33 Cent auf den neuen Rekordstand von 45,13 Dollar, acht Cent über dem bisherigen Allzeithoch vom Dienstag.

Auch der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) steigt weiter. Das OPEC-Sekretariat berechnete den so genannten Korbpreis für die wichtigsten sieben Rohölsorten für Mittwoch mit 40,08 US Dollar, das waren 8 Cent mehr als am Tag davor und der höchste Preis seit der Einführung der Korbpreis-Statistik im Jänner 1987.

An der Warenterminbörse Nymex in New York legte der Preis für Öl zur September-Auslieferung am Donnerstag um 19 Cent auf 44,99 Dollar zu. Er näherte sich damit wieder seinem Höchststand vom Dienstag, als das Barrel mit 45,04 Dollar eine neue Rekordmarke erreicht hatte.

Zwei schwere Stürme haben die amerikanischen Energiemärkte verunsichert. Der tropische Sturm „Bonnie“ befindet sich bereits im Golf von Mexiko und hat zur Evakuierung des Personals einiger Öl- und Erdgasbohrinseln sowie zur Produktionseinstellung geführt. Der Sturm „Charley“ bewegt sich aus der Karibik wahrscheinlich ebenfalls auf den Golf von Mexiko zu.

Der Markt ignorierte damit die Ankündigung des saudischen Ölministers Ali Naimi, Saudi-Arabien könne seine Förderung bei Bedarf kurzfristig um 1,3 Mio. Barrel pro Tag steigern. Bereits in den vergangenen drei Monaten habe das Land die Produktion um über eine Million Barrel täglich erhöht, was zu einer durchschnittlichen Produktion von 9,3 Mio. Barrel geführt habe, ließ Naimi am Donnerstag in New York mitteilen.

Auch OPEC-Präsident Purnomo Yusgiantoro bemühte sich am Donnerstag vergeblich, den Druck aus den Preisen zu nehmen. Die OPEC könne ihre Förderung durchaus erhöhen, sagte er in Jakarta. „Manche Länder brauchen Zeit, aber andere können es bald schaffen, so wie Saudiarabien.“ Yusgiantoro reagierte damit auf Angaben aus Venezuela, wonach die OPEC sechs Monate brauche, um ihre derzeit bereits ausgeschöpften Förderkapazitäten auszuweiten.

Analysten stellten die tatsächliche Höhe der Überkapazitäten in Frage. Die Versorgung sei möglicherweise bereits überstrapaziert, warnten die Experten des Brokerhauses Sucden. Jüngstes Beispiel für drohende Ausfälle sei der wegen Anschlagsdrohungen verhängte teilweise Förderstopp im Irak. Darüber hinaus hielten das bevorstehende Referendum im Ölstaat Venezuela und die Krise um Russlands größten Ölkonzern Yukos die Händler weiter in Atem. Der wegen milliardenschwerer Steuerschulden vor der Pleite stehende Yukos-Konzern hatte am Mittwochabend bekannt gegeben, dass mit dem Hauptaktionär Menatep ein weiterer Geldgeber einen Kredit in Höhe von 1,6 Mrd. Dollar (1,3 Mrd. Euro) gekündigt habe.

Die EZB warnte in ihrem Monatsbericht, der hohe Rohölpreis könnte Europas „Wachstumsdynamik dämpfen“. Sollten die Rohölpreise auf dem derzeitigen Niveau verharren, werde die Inflationsrate in der EU voraussichtlich „für den Rest des Jahres und auch in den ersten Monaten 2005“ über der 2-Prozent-Marke liegen. Das ifo Institut rechnet für 2005 mit einer Abschwächung des weltweiten Wirtschaftswachstums. Die große Unbekannte bleibe der Ölpreis, sagte ifo-Chefvolkswirt Gernot Nerb in München.

Nach Einschätzung des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) könnte ein weiter steigender Ölpreis das Wirtschaftswachstum in Deutschland im kommenden Jahr deutlich abbremsen. HWWA-Präsident Thomas Straubhaar sagte, bei seiner jetzigen Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland von 1,4 Prozent im kommenden Jahr habe das Institut einen Ölpreis von 35 Dollar je Barrel unterstellt. „Wenn der Ölpreis bis Ende 2005 bei 45 Dollar liegen würde, kommen wir im nächsten Jahr nur auf 0,6 Prozent Wachstum“, sagte Straubhaar. „Die zusätzlichen zehn Dollar kosten uns 0,8 Prozentpunkte Wachstum.“

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