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Offener Schlagabtausch bei EU-Russland-Gipfel

Russland - Russland und die EU haben sich bei ihrem Gipfel einen offenen Schlagabtausch geliefert. Fortschritte auf dem Weg zu engeren Beziehungen wurden keine erzielt. Merkel setzt auf Problemlösungen | Barroso für schnellen WTO-Beitritt | Hunderte demonstrieren gegen Putin

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso stellten sich am Freitag auf die Seite der mit Russland zerstrittenen europäischen EU-Mitglieder und kritisierten das harte Vorgehen gegen russische Oppositionelle. Präsident Wladimir Putin wies die Kritik zurück und verwies auf die Festnahme von Globalisierungsgegnern vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. Beide Seiten betonten aber den Willen, ihre Beziehungen zu vertiefen.

Der von Russland verhängte Importstopp für polnisches Fleisch und andere Agrarprodukte verhindert seit Monaten die Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen der EU mit Russland. Weitere Streitpunkte sind die Sicherheit russischer Energielieferungen, die Verlegung eines sowjetischen Soldatendenkmals in Estland, die Zukunft des Kosovos und die Pläne der USA, in den früheren Ostblockstaaten Polen und Tschechien Teile eines Raketenabwehrsystems zu stationieren.

Als EU-Ratspräsidentin räumte Merkel nach den Gesprächen mit Putin Spannungen ein. Die Europäische Union wolle die Beziehungen zu Russland spürbar und sichtbar verbessern, sagte sie und fügte hinzu: „Und dann gibt es Bereiche, in denen ist es im Augenblick schwierig.“ Barroso ergänzte, Probleme einzelner EU-Mitglieder mit Russland seien Probleme der gesamten Union mit dem größten Flächenstaat der Welt.

Harte Kritik übte Putin an dem Schulterschluss der EU mit Estland im Streit um die Verlegung eines sowjetischen Kriegerdenkmals. Im Baltikum würden die Rechte russischstämmiger Minderheiten verletzt, kritisierte der sichtlich aufgebrachte Präsident. „Wir finden das inakzeptabel und Europas nicht würdig.“ Emotional reagierte Putin auch auf Nachfragen nach den Morden an der Journalistin Anna Politkowskaja und dem Ex-Spion Alexander Litwinenko und wie sich die mit dem Wunsch nach einer strategischen Partnerschaft mit der EU verbinde. Der russische Präsident sagte, die Morde seien Sache der Justiz. Was die Partnerschaft angehe, so wolle auch niemand in Europa die Partnerschaft mit den USA in Frage stellen, obwohl es dort die Probleme Guantanamo und Todesstrafe gebe.

In Hinblick auf den Fleischstreit mit Polen kritisierte Putin den “ökonomischen Egoismus des einen oder anderen europäischen Landes“, der Probleme bereite. So rede Polen seit einem Jahr nicht mehr mit Russland. Sein Land dramatisiere das aber nicht und respektiere, dass die EU zunächst ihre inneren Probleme lösen müsse. Barroso erklärte, er glaube wegen des hohen Niveaus des EU-Konsumentenschutzes nicht, dass es für das russische Importverbot einen Grund gebe.

Entschieden verteidigte Putin die Sicherheitskräfte, deren hartes Vorgehen gegen Oppositionelle auch die EU kritisiert hatte. Die Regierungsgegner legten es vielfach darauf an, die Sicherheitskräfte zu provozieren, die nur reagierten. Auch er sei mit dem Vorgehen der Polizei nicht immer zufrieden. Aber kein Land der Welt, und auch nicht die EU, sei eine „lupenreine Demokratie“, sagte Putin auf die Frage eines Journalisten, ob er ein „lupenreiner Demokrat“ sei. So hatte der mit Putin befreundete deutsche Altkanzler Gerhard Schröder den russischen Präsidenten einmal bezeichnet.

Merkel und Barroso kritisierten, dass Oppositionelle wie der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow auf dem Moskauer Flughafen festgesetzt und an Protesten in Samara gehindert wurden. „Ich sage ganz offen, dass ich mir wünsche, dass heute Nachmittag die, die in Samara demonstrieren wollen, das auch tun können, und bin etwas besorgt, dass manch einer Schwierigkeiten hatte bei der Anreise.“ Aber möglicherweise könne auch am Gipfelort an der Wolga eine Demonstration stattfinden.

Die deutsche Bundeskanzlerin, die derzeit auch den G-8-Vorsitz inne hat, versicherte, zum Gipfel der sieben führenden Industrieländer und Russlands im Juni in Heiligendamm dürfe sichtbar und friedlich demonstriert werden. Die Razzien gegen Globalisierungsgegner vorige Woche unter anderem in Berlin und Hamburg seien das Ergebnis von Ermittlungen nach mehreren Brandanschlägen gewesen. Putin wies die Kritik der EU auch mit Verweis auf den Einsatz der deutschen Polizei zurück und sagte: „In Hamburg wurden 146 Menschen festgenommen, bei uns wollten lediglich 200 demonstrieren.“

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