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"Offen zum Glauben stehen"

Lingenau - Fronleichnam wäre nicht denkbar ohne die vier Hausaltäre.

Sofern die Natur doch noch ein Einsehen hat und die Regenschleusen rechtzeitig schließt, wird sich heute nach dem Festgottesdienst auch in Lingenau eine feierliche Prozession in Bewegung setzen. Ehe sie in die Kirche zurückkehrt, wird sie am Altar vor dem Haus „Hof 33“ Station machen. Inge und Adolf Willi haben ihn hergerichtet. Ihr Kreuz aus dem Herrgottswinkel der Stube vor die Tür getragen, den Altartisch mit Blumen geschmückt und einen Teppich davor ausgebreitet. Seit 15 Jahren machen sie das. Seit die beiden älteren Damen in der Nachbarschaft die Kraft verlassen hat.

Religiös, aber nicht fanatisch

Ist ihnen Fronleichnam wichtig? „Schon“, nicken beide. „Wir sind sehr religiös“, bekräftigt der ehemalige Vorstandsdirektor der Sparkasse Egg, „aber nicht fanatisch religiös. Wir denken selber mit.“ Der Fronleichnamstag diene doch eigentlich dazu, „zu seinem Glauben öffentlich zu stehen“. Auch wenn das manchmal schwerfällt.

Mitunter Ehrlichkeit vermisst

Sie vermissen mitunter die Ehrlichkeit in der Amtskirche. Als ihr Sohn Günther, zum Priester geweiht, sich doch für die Ehe entschied, und danach weder er noch seine Frau Carmen weiterhin Religion unterrichten durften, war das so ein Testfall in Sachen Ehrlichkeit. Und doch haben Inge und Adolf ihr Leben innerhalb der Kirche nie bezweifelt. Was hält sie? „Unser Vertrauen zu Gott.“ Und Adolf fügt an, dass ihnen beiden das vielleicht „a klin“ leichter fällt, weil sie beide in Familien aufgewachsen sind, „wo man uns mögen hat“. In wenigen Worten umreißt Adolf die Atmosphäre der „kleinbäuerlichen Familie mit acht Geschwistern“, in der er aufwachsen durfte, und da wird einem trotz frühwinterlicher Temperaturen draußen ganz warm ums Herz. Inge und Adolf geben, was sie selber erfahren haben, ihren Kindern und Enkelkindern weiter. So geschieht der sonntägliche Gottesdienstbesuch ganz selbstverständlich. Selbst die drei Enkel gehen mit. Schließlich war der Opa lange Jahre Pfarrgemeinderat. Vielleicht wird auch ein Mädchen aus dem Haus Willi einmal als eine von vier „Schappele-Schmelga“ in Wäldartracht die Muttergottes in der Prozession tragen. Inge Willi durfte das nie. Warum denn? „Weil ich keine Tracht besitze“, sagt sie. Und Adolf fügt schmunzelnd hinzu: „An Bubikopf hattest du auch.“ Zöpfe waren damals nämlich Pflicht.

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