Klassenkampf im Zugsabteil
Auf Twitter schreibt der oberösterreichische Volksvertreter: “War am Westbahnhof. Konnte res. Platz nicht einnehmen, da Eisenbahngesetz und Dienstvorschrift nicht eingehalten.” Ein klares Vergehen der ÖBB, keine Frage. Nur weil die österreichische Regierung, die Bahn, die Polizei und allen voran unsere Zivilgesellschaft erkannt haben, dass rund um die Flucht von Menschen aus Kriegsgebieten bei uns Ausnahmezustand herrscht, der mit dem Wahrnehmen politischer Verantwortung und Hilfsbereitschaft auch in den Griff zu bekommen ist, darf es doch nicht sein, dass die politische Elite auch noch im Zug auf die Hinterbank verwiesen wird. Das ist übelster Klassenkampf und endete beim letzten Mal in der Oktoberrevolution.
Da fährt die Eisenbahn darüber
Österreich hat es verstanden: Um die Flüchtenden aus dem aggressiven Orban-Ungarn rauszuholen, ist es unumgänglich, kurzfristig die Grenzen zu öffnen. Nachdem die wenigsten der Flüchtlinge, nachdem sie alles verloren haben, ihre lebensgefährliche Reise mit dem Privat-PKW unternehmen, war und ist die österreichische Bahn entsprechend gefordert. Und die hat das bravourös gemeistert. Einziges Opfer: Nationalratsabgeordneter Gerhard Deimek, FPÖ.
Von Emotionen geplagt
Viele von uns, die während der letzten Tage mit hab- und hilflosen Familien, mit von Angst und Erschöpfung gebeutelten Menschen und mit Kinderaugen, die wir sonst bloß von Spendenfoldern kennen, konfrontiert waren, berührt die Situation natürlich auch emotional. Und wir nehmen stark an, dass auch Herr Deimek diesem Gefühls-Looping ausgesetzt war, als er seinen eingeschnappten Tweet verfasst hat. Wahrscheinlich war der Abgeordnete erschöpft vom Schleppen gespendeter Lebensmittel und nicht mehr in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Denn dass einem österreichischen Politiker das eigene Sitzfleisch näher steht, als der Überlebenskampf zigtausender Menschen, sollte ausgeschlossen werden. Selbst in Kreisen der FPÖ.