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ÖBAG-Chef Schmid geht per sofort

ÖBAG-Chef Schmid tritt zurück.
ÖBAG-Chef Schmid tritt zurück. ©APA
Nach lang anhaltender Kritik gibt ÖBAG-Chef Thomas Schmid auf. Er geht und legt auch alle Aufsichtsratsposten zurück.
"Kriegst eh alles, was du willst"
Bevölkerung als Pöbel und Tiere bezeichnet

"Nach intensiven Beratungen innerhalb des Aufsichtsrats ist der Aufsichtsrat gemeinsam mit MMag. Schmid zur Erkenntnis gekommen, dass die sofortige Beendigung der Vorstandstätigkeit von MMag. Thomas Schmid einen notwendigen Schritt für die ÖBAG darstellt", teilte die Staatsholding Dienstagvormittag in einer Aussendung mit. ÖBAG-Direktorin Christine Catasta wurde als Interimsvorstand bestellt.

Schmid tritt auch von allen Aufsichtsratsposten zurück

Schmid trete auch von allen für die ÖBAG gehaltenen Aufsichtsratspositionen in Beteiligungsgesellschaften zurück. Nach der anhaltenden Diskussion der letzten Monate habe der Aufsichtsrat die Situation um den ÖBAG-Vorstand mit juristischer Beratung neuerlich bewertet.

Die Vertretung durch Catasta ist vorübergehend, sie werde sich im laufenden Prozess der Vorstandssuche nicht bewerben. Christine Catasta war bis 2020 Chefin von der Beratungsfirma PwC Österreich und ist seit Oktober 2020 die für die Beteiligungsgesellschaften verantwortliche Direktorin der ÖBAG.

In der Presseaussendung der der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) heißt es weiters: "Der Aufsichtsrat bedankt sich bei Thomas Schmid für die ausgezeichnete inhaltliche Arbeit der letzten zwei Jahre, distanziert sich aber gleichzeitig von den Chatnachrichten." Zum Vorstand bestellt wurde Schmid im April 2019.

Schmid gibt mit morgen, Mittwoch, nicht nur seinen ÖBAG-Job auf, er hat sich auch als Vorstand des Aufsichtsrates des Energiekonzerns Verbund zurück gezogen. Seine Funktion übernimmt - bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden - sein Stellvertreter, der Vorarlberger Industrielle Martin Ohneberg.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte am Rande einer Pressekonferenz, dass das Ausscheiden von Schmid "sinnvoll und notwendig" ist. Auch der Aufsichtsrat selbst habe es als "notwendigen Schritt" begründet, dem habe "ich nicht viel dazuzufügen", sagte Kogler. Seine Prognose sei ohnedies gewesen, dass der Aufsichtsrat vor dem Auscheiden des ÖBAG-Chefs Schmid im März 2022 "Schritte setzen wird, weil es vernünftig, richtig und sinnvoll ist".

"Und Betriebsrat. Weg damit."

Am Montag vor einer Woche waren neue Chats von Schmid bekannt geworden, deren Inhalt für heftige Kritik der Opposition sorgte. Laut den in mehreren Medien veröffentlichten Protokollen hatte Schmid mit einer Vertrauten unter anderem darüber diskutiert, in seiner neuen Funktion den Betriebsrat "abdrehen" zu wollen ("Und Betriebsrat. Weg damit."). "Das können wir nicht einfach so machen", soll ihm diese ausgerichtet haben, man müsse "auch andere Ideologien verstehen". Schmids Reaktion: "Andere Ideologien. Fu** that."

Auch über Flüchtlinge wurde den Berichten nach "gescherzt": Nach der Buchung eines Fluges nach Addis Abeba soll seine Assistentin Schmid gefragt haben, ob er auch einen Rückflug brauche. Auf seine Frage, ob sie ihn dort lassen möchte, soll sie geantwortet haben: "Ab Kairo gibt es Schlauchboote." Nachdem sie Schmid dann etwas später die Buchung bestätigt hatte, soll er zurückgefragt haben: "Mit den Flüchtlingen? Smiley."

"Kriegst eh alles, was du willst"

Schon Ende März gab es Aufregung um Chats des nunmehrigen Ex-ÖBAG-Chefs. "Du bist Familie", soll ihm Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einmal geschrieben haben. Als die gesetzliche Grundlage für den neuen Job in der ÖBAG gegeben war, habe Blümel - damals Kanzleramtsminister - an Schmid geschrieben: "Schmid AG fertig". Antwort von Schmid: "Habe noch keinen Aufsichtsrat". Vor seiner Bestellung zum ÖBAG-Vorstand soll Schmid den Kanzler gebeten haben, ihn "nicht zu einem Vorstand ohne Mandate" zu machen. Die Antwort von Kurz: "Kriegst eh alles, was du willst."

Die ÖBAG steuert elf staatliche Beteiligungen im Wert von knapp 27 Mrd. Euro. Dazu gehören unter anderem der Verbund, die OMV, die Telekom Austria, die Post und die Casinos Austria. Eigentümervertreter des Staates ist der Finanzminister.

AR-Chef: Sofortiger Schmid-Abschied am sinnvollsten

Der Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖBAG, Helmut Kern, hat erklärt, dass das Gremium gemeinsam mit Alleinvorstand Thomas Schmid zum Schluss gekommen sei, dass eine sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses von Schmid "das sinnvollste zum Wohl der ÖBAG ist". Anspruch auf Bonifikationen für 2021 habe Schmid keine. "Der Vertrag wird nicht ausbezahlt", so Kern am Dienstag im "Mittagsjournal" des ORF-Radio Ö1.

Das, was Schmid zum Abschied erhalte, "liegt deutlich unter dem, als wenn der Vertrag ausbezahlt worden wäre", verriet Kern ohne weitere Details zur Vertragsauflösung. Der Aufsichtsratschef berief sich dabei auf Vertraulichkeitsgründe.

Bezahlt wird von der Öffentlichen Hand. Schmids Vertrag sah ein Jahresgehalt von 400.000 bis 600.000 Euro je nach Zielerreichungen vor - also mehr als der Bundespräsident und -Kanzler verdienen.

"Wir haben von Beginn der ganzen Causa gesagt, dass wir die Sache laufend einer Beurteilung unterziehen", so Kern weiter. Es sei nicht um Einzelereignisse gegangen, sondern um eine Gesamtbeurteilung. Diese habe nun zur sofortigen Vertragsauflösung geführt.

Genugtuung bei Kritikern über Rücktritt von Schmid

Der Rücktritt von ÖBAG-Chef Thomas Schmid mit sofortiger Wirkung sorgt für Genugtuung bei seinen Kritikern. Wie Schmid der sofortige Abgang von der Spitze der Staatsholding versüßt wird, war kurzfristig nicht zu erfahren. In der Aussendung der ÖBAG ist von einer "einvernehmlichen Einigung" zwischen Schmid und dem Aufsichtsrat die Rede. Noch am 6. April hatte ein Sonderaufsichtsrat Schmid das Vertrauen ausgesprochen.

Schmid hat damals bekanntgegeben, dass er seinen Vertrag mit Ende März 2022 auslaufen lässt. "Der Aufsichtsrat hat diese Entscheidung zustimmend zur Kenntnis genommen", hieß es damals in der Mitteilung der Staatsholding. Nach einer Aufsichtsratssitzung heute, Dienstag, räumt Schmid allerdings doch vorzeitig und mit dem morgigen Tag seinen Sessel.

Für die FPÖ ist der nunmehrige sofortige Rücktritt erst das Vorspiel, es sollten Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) folgen, so die FPÖ heute. "Schließlich sind diese beiden ÖVP-Politiker ja die Hauptverantwortlichen für den Umstand, dass die Republik Österreich zu einem korrupten Tollhaus mit ÖVP-Führungsetage umgebaut wurde", so der Fraktionsführer der FPÖ im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker. Auch sei es jetzt notwendig die "einvernehmliche Trennung" zwischen Schmid und der ÖBAG transparent der Öffentlichkeit darzulegen.

Und auch die SPÖ sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. "Der Rücktritt von Thomas Schmid vom Vorstand der ÖBAG war ein längst überfälliger, notwendiger Schritt. Seine von vorne bis hinten von Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel ausgepackelte Bestellung, die selbst gezimmerte Ausschreibung, seine unsäglichen Äußerungen zu ÖBAG-Mitarbeiter*innen, zum Betriebsrat und nicht zuletzt die Beschimpfungen der normalen Bevölkerung als 'Pöbel' haben Schmid an der Spitze der staatlichen Beteiligungsgesellschaft untragbar gemacht", erklärte der stellvertretende Klubvorsitzender Jörg Leichtfried.

Die NEOS wiederum sehen einen "längst überfälligen Schritt". Thomas Schmid sei "einzig und allein aufgrund seiner türkisen Familie" ÖBAG-Chef geworden. "Dass Schmid ohne Industrieerfahrung und ohne internationale Erfahrung überhaupt zum Alleinvorstand der ÖBAG wurde, liegt in der Verantwortung der Kurz-Blümel-ÖVP", betonte NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn.

Kritik an Schmid kommt nun auch von den Christgewerkschaftern. Fritz Pöltl, der Vorsitzende der FCG-ÖAAB-Fraktion in der AK-Wien sprach heute in einer Aussendung von einem logischen Schritt. "Laut der in mehreren Medien veröffentlichten Chat-Protokolle soll Schmid mit einer Vertrauten darüber diskutiert haben, in seiner neuen Funktion den Betriebsrat "abdrehen" zu wollen. Auch die Worte "Weg damit!" und "Fuck that!" sollen dabei gefallen sein", erinnert er an publik gewordene Nachrichten von Schmid an seine Assistentin.

Rücktritt für Rendi-Wagner "mehr als überfällig"

Der Rücktritt von ÖBAG-Chef Thomas Schmid mit sofortiger Wirkung ist für SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner "mehr als überfällig, von daher ist es gut und richtig", sagte die Rote am Dienstag vor Journalisten. Ihrer Ansicht nach hätte er schon viel früher erfolgen sollen. "Unsere Republik ist kein Selbstbedienungsladen." Die Chat-Protokolle hätten sie betroffen gemacht und sogar schockiert.

"Wenn die österreichische Bevölkerung mit Tieren verglichen wird, Menschen als Pöbel bezeichnet werden, dann ist das schockierend und hochgradig und zu 100 Prozent abzulehnen", sagte Rendi-Wagner.

Was die Zukunft der ÖBAG betrifft, die elf staatliche Beteiligungen im Wert von knapp 27 Mrd. Euro steuert, solle man sich Zeit nehmen, um die Struktur neu zu überdenken - auch, was den Vorstand betreffe, so Rendi-Wagner. Dabei sei ein doppelter Vorstand denkbar, um hier eine bessere Kontrolle zu haben. Schmid war Alleinvorstand der Staatsholding.

Erst vergangene Woche hatte sich Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) in Folge der Chat-Affäre als Verfassungsrichter zurückgezogen. "Es zeigt sich, dass mit einiger Verzögerung doch Konsequenzen gezogen werden. Der politische Druck in Österreich hat offenbar Wirkung gezeigt", sagte Rendi-Wagner dazu auf Nachfrage. In den vergangenen Wochen und Monaten seien Schritt für Schritt Grenzen verschoben worden, Grenzen des politischen Anstandes und der politischen Moral.

Blümel: Bedanke mich für "ausgezeichnete" Arbeit von Schmid

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat seinen Dank an den heute zurückgetretenen ÖBAG-Chef Thomas Schmid ausgesprochen. "Ich darf mich bedanken beim Aufsichtsrat und bei der ausgezeichneten inhaltlichen Arbeit von Thomas Schmid", sagte Blümel bei einer Pressekonferenz. Der Abgang sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats, und er nehme diese Entscheidung zur Kenntnis. Blümel ist als Finanzminister Eigentümervertreter der Republik für die Staatsholding ÖBAG.

Auf die Frage, ob er den Rücktritt für richtig und angemessen halte, sagte Blümel, es sei eine Entscheidung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsratsvorsitzende habe ihn informiert, dass es zu einer gemeinsamen Entscheidung gekommen sei. Der ÖBAG-Aufsichtsrat habe derzeit auch "keine leichte Zeit", meinte Blümel. "Ich darf mich bei beiden bedanken." Auf die Frage, ob er einen Zweiervorstand für die ÖBAG für sinnvoll halten würde, verwies er auf die gesetzliche Bestimmung für die Staatsholding, wonach für das aktuelle Portfolio ein Einzelvorstand vorgesehen sei.

Schmids Vertrag wäre noch bis März 2022 gelaufen, nun wurde eine einvernehmliche Einigung über die sofortige Beendigung getroffen. Auf die Frage, ob Schmid nun seinen restlichen Vertrag ausbezahlt bekomme, sagte Blümel: "Das sind Details", das solle man den ÖBAG-Aufsichtsrat fragen. Gründe für Schmids vorzeitigen Abgang erwähnte Blümel mit keinem Wort.

Blümel und Schmid gelten als enge Vertraute. Das zeigten auch die in jüngster Zeit bekannt gewordenen Chats. "Schmid AG fertig", schrieb Blümel - damals in der türkis-blauen Regierungszeit noch als Kanzleramtsminister - an Schmid, nachdem das ÖBAG-Gesetz fertig war. Schmid bedankte sich mit einem Busserl: ":*". Und, so Blümel, an Schmid: "Du bist Familie".

Interimistisch: Mit Catasta erstmals Frau an der Spitze

Mit Christine Catasta hat die Staatsholding ÖBAG ab morgen, Mittwoch, erstmals eine Frau an ihrer Spitze - wenn auch nach dem vorzeitigen Abgang von Thomas Schmid nur interimistisch. Bisher war die 1958 geborene, verheiratete zweifache Mutter ÖBAG-Direktorin. Zuvor war sie von 1982 bis 2020 bei PwC Österreich, hier zuletzt ab 2018 Chefin, bis sie vor knapp einen Jahr altersbedingt in Pension ging.

Erst seit vorigen Oktober ist Catasta ÖBAG-Direktorin. Als Prokuristin und Leiterin des Beteiligungsmanagements wurde sie Schmid, den sie nun interimistisch ablöst, zur Seite gestellt und zog in Aufsichtsräte von Beteiligungsfirmen ein, um die Interessen der Republik zu vertreten. Auch Digitalisierungsfachmann Maximilian Schnödel wurde zu diesem Zeitpunkt weiterer Prokurist. Vorher war der ÖVP-nahe Bernhard Perner Prokurist, dieser wurde aber Monate zuvor Chef der staatlichen Coronahilfsagentur COFAG.

Die beeidete österreichische Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin absolvierte von 1981 bis 1986 ein Diplom- und Doktoratsstudium an der WU Wien. Ihr Spezialgebiet war Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung.

Catasta ist Abseits ihrer ÖBAG-Funktion derzeit in den Aufsichtsräten der Erste Bank und Sparkasse, der Verbund, der Casinos Austria und der Austrian Airlines. Vorstandsmitglied ist sie bei der Österreichischen Luftverkehrs-Privatstiftung (ÖLP). Zudem ist sie Mitglied des Instituts österreichischer Wirtschaftsprüfer, im Fachsenat für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und auch der Professional Ethics and Competences Working Party of Accountancy Europe in Brüssel. Dazu kommt noch die Tätigkeit als Präsidentin der Association of Corporate Growth und jene als Beirätin bei Leitbetriebe Austria. Unter weiteren Funktionen ist sie etwa Vorstandsmitglied beim Rotary Club Wien-Belvedere.

Als Kenntnisse gibt Catasta auf der Karriereplattform Linkedin Unternehmensstrategie sowie -beratung und Managementberatung an. Unter den "Interessen" finden sich unter dem Punkt "Influencer:innen" Bundeskanzler Sebastian Kurz und AUA-Chef Alexis von Hoensbroech.

(APA/Red.)

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