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Oberösterreichs Altlandeshauptmann Ratzenböck gestorben

Josef Ratzenböck
Josef Ratzenböck ©APA/FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUMMAYR
Oberösterreichs Altlandeshauptmann Josef Ratzenböck (ÖVP) ist am Dienstag im Alter von 96 Jahren gestorben. Das teilte das Land Oberösterreich am späten Nachmittag mit. Der promovierte Jurist stand von Oktober 1977 bis März 1995 an der Regierungsspitze des Bundeslandes.

"Josef Ratzenböck war in Oberösterreich verwurzelt - und zugleich ein überzeugter Europäer. Sein Wunsch, anlässlich der Europawahl 2024 'über den Schrebergarten des eigenen Landes hinauszudenken', soll uns auch weiterhin Verpflichtung sein", würdigte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Verstorbenen. Dieser "wusste, wie man in guter österreichischer Tradition unterschiedliche Positionen ausgleicht - zum Wohl Oberösterreichs ebenso wie der Republik. Josef Ratzenböck war ein Landesvater im besten Sinne."

Denn Ratzenböck zeichnete sich durch Bürgernähe aus. In die Zeit seiner 18-jährigen Amtsperiode fallen große politische Ereignisse wie der Fall des Eisernen Vorhangs und der EU-Beitritt Österreichs, die er zu den bewegendsten Momenten zählte - am 11. Dezember 1989 schnitt er gemeinsam mit dem südböhmischen Kreisvorsitzenden Miroslav Šenkyř am Grenzübergang Wullowitz den "Eisernen Vorhang" durch.

"Arbeiter im Weinberg Oberösterreich"

"Politik als Handeln am Nächsten", so beschreibt die ÖVP Oberösterreich das Amtsverständnis ihres einstigen Parteichefs und Landeshauptmannes, dessen Traumberuf eigentlich Bauer gewesen wäre. Er selber sah sich als "Arbeiter im Weinberg Oberösterreich". Seine dienstäglichen Sprechtage für jedermann gelten als legendär.

Noch als Kulturlandesrat initiierte er im Mai 1977 die Gründung des Landesmusikschulwerks, um so der breiten Bevölkerung eine musikalische Ausbildung zu ermöglichen. Ihm gelang es bei seiner ersten Landtagswahl im Jahr 1979, die absolute Mehrheit für die Volkspartei zurückzuholen, die auch noch bei der kommenden Wahl 1985 gehalten wurde. Nach dem Rückzug aus der aktiven Politik schätzte die Landespartei an ihrem "Pensionisten", dass er sich "nie als politischer Zwischenrufer in der Tagespolitik" betätigte, sehr wohl aber zu Grundsatzfragen Stellung nahm.

Überzeugter Europäer

Ratzenböck war "überzeugter Europäer", der vor der EU-Wahl 2024 noch an die nationalen Regierungen appelliert hat, "über den Schrebergarten des eigenen Landes hinauszudenken". Europa brauche eine starke politische Mitte, radikale Bewegungen sah er eher als Schaffer denn als Löser von Problemen. Als Wunsch an die Innenpolitik formulierte er vor der Nationalratswahl 2024: "Denkt immer auch an den Tag nach der Wahl. Je mehr man sich auseinandergelebt hat, desto schwieriger ist es, wieder zusammenzufinden."

Josef Ratzenböck wurde am 15. April 1929 in Neukirchen am Walde (Bezirk Grieskirchen) als Sohn eines Gast- und Landwirtes geboren. Im Oktober 1952 wurde er Mitarbeiter des damaligen ÖVP-Landesparteisekretärs und späteren Landeshauptmanns Erwin Wenzl, den er 1977 in diesem Amt beerbte. Zu den wichtigsten Aufgaben zählte in den ersten Jahren die Gründung des OÖ Seniorenbundes, der damals Rentner- und Pensionistenbund hieß. 1969 stieg er zum Landesparteisekretär auf, vier Jahre später, 1973, zog er in die Landesregierung ein und übernahm die Ressorts Finanzen und Kultur, bis er 1977 Nachfolger von Wenzl wurde. Er war seit 1954 mit Anneliese Ratzenböck verheiratet, sie haben zwei Kinder.

"Großer Gestalter"

"Mit Josef Ratzenböck verliert unser Land eine große Persönlichkeit, die stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen hatte und ihr Wohl ins Zentrum seines Handelns gestellt hat", so Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP). "Dabei hatte er nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft Oberösterreichs im Blick. Josef Ratzenböck wurde über Landes- und Parteigrenzen hinweg für seine Politik des Miteinanders geschätzt und hat den großen Wert der europäischen Zusammenarbeit früh erkannt und bis ins hohe Alter engagiert unterstützt."

Der amtierende Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) würdigte Ratzenböck als einen "großen Gestalter Oberösterreichs, einen Brückenbauer, einen, der stets das Verbindende gesucht hat". Ratzenböck habe ganz entscheidend dazu beigetragen, "dass sich Oberösterreich sowohl als Land der Arbeit, der Industrie und der Wirtschaft als auch als Land der Bildung, der Wissenschaft und vor allem der Kultur profilieren konnte", so Stelzer. Der Altlandeshauptmann sei "ein Mann des Ausgleichs, den Menschen zugewandt" gewesen.

Zahlreiche Trauerbekundungen

Oberösterreich verliere "einen wichtigen Gestalter der Zweiten Republik", so Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ). "Der Einsatz von Josef Ratzenböck für die Menschen und Oberösterreich verdient bleibende Anerkennung", er habe Oberösterreich nachhaltig mitgeprägt.

Für SPÖ-Landesrat Martin Winkler verliert Oberösterreich eine prägende politische Persönlichkeit. "Als Landeshauptmann stand er für Dialogbereitschaft und die Übernahme von Verantwortung über Parteigrenzen hinweg. Sein politisches Wirken war von Ausgleich, Respekt und einem tiefen Verständnis für die Anliegen der Menschen geprägt."

Der Grüne Landesrat Stefan Kaineder bezeichnete Ratzenböck als "wahrhaft großen Menschen und Politiker", der "Politik mit Herz" gemacht habe. "Besonders hervorzuheben sind seine Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern und sein großes gesellschaftliches Engagement."

Pühringer würdigt "Visionär und Gestalter"

"Wenn er gebraucht wurde, war er stets da", so ÖVP-Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger, "selbst in den letzten Jahren noch als Ehrenparteiobmann". "Er war ein Visionär und Gestalter in den großen Fragen der Zukunftspolitik, insbesondere auch im Bereich des Sozialen", so Seniorenbund-Landesobmann Josef Pühringer, der Ratzenböck 1995 als Landeshauptmann nachgefolgt war. Ratzenböck war Gründer und Ehrenlandesobmann des Oberösterreichischen Seniorenbundes. Trauerbekundungen kamen auch vom Bauernbund, der aus Oberösterreich stammenden Familienministerin Claudia Plakolm, ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti und dem Linzer Vizebürgermeister Martin Hajart (beide ÖVP).

(APA)

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