Als Favorit für den Posten gilt Fritz Dittlbacher, der seit kurzem bereits die Geschäfte der Fernseh-Innenpolitik stellvertretend und interimistisch leitet. Dittlbacher sei Wusch der SPÖ und des roten Kanzleramts, heißt es. Mit BZÖ und Grünen sei darüber hinaus ein “Paket von fünf bis sechs Leuten” akkordiert, die die neue Führungsmannschaft der Fernseh-Information stellen sollen, heißt es im ORF. Dies sei innerhalb der neuen “Ampel-Koalition” im ORF-Stiftungsrat rund um die Bestellung von Karl Amon zum Radiodirektor paktiert worden. Der ÖVP gefällt das alles gar nicht, sie wettert weiter gegen das “rote Wunschkonzert” in der öffentlich-rechtlichen Anstalt.
Aus SPÖ-Kreisen wiederum ist zu hören, dass die Aufregung vor allem auf die “Spin-Doktoren” der ÖVP zurückzuführen sei und es gar keinen eigenen Wunschkandidaten für die TV-Chefredaktion gebe. Auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz erklärte in dieser Woche bei einer Redakteursversammlung, dass es keine Packelei mit der SPÖ und auch kein ausverhandeltes Paket unter der Ampel-Koalition geben werde. Wrabetz rief die “Zeit im Bild”-Redakteure zur internen Geschlossenheit auf, wie aus einem der APA vorliegenden Protokoll der Redakteurssprecher hervor geht. Der Ruf der Unabhängigkeit müsse gewahrt werden, man dürfe sich nicht “gegenseitig anmalen”.
Eine zentrale Rolle kommt in den nächsten Wochen bis zur Bestellung der TV-Chefredaktion – die Ausschreibung soll am Donnerstag via Amtsblatt der “Wiener Zeitung” erfolgen – auch Informationsdirektor Elmar Oberhauser zu. Er lehnt jegliche Einmischungen von außen ab und werde “weder auf Zurufe noch auf Anordnungen reagieren”, ließ er zuletzt wissen. Vor den Redakteuren legte Oberhauser nun nach. Bestellung auf Wunsch einer Partei – “da lege ich mich quer”. Und in kleiner Runde soll der Informationsdirektor auch schon ein “nur über meine Leiche” fallen gelassen haben.
Oberhauser würde am liebsten einen erfahrenen, langjährig aktiven Journalisten von außer Haus holen, einen wie “profil”-Chefredakteur Herbert Lackner, heißt es. Wrabetz hatte bisher eine externe Besetzung aus Kostengründen abgelehnt. Bei der Redakteursversammlung soll er nun aber laut Protokoll der Redakteurssprecher gemeint haben, dass eine externe Besetzung denkbar sei, falls diese kostenneutral sein sollte.
In der ÖVP moniert man unterdessen, dass sich die SPÖ zuletzt bei fast allen ORF-Personalfragen durchgesetzt habe und weiter ihren “roten Masterplan” verfolge. Nach der verlorenen ORF-Publikumsratswahl Anfang des Jahres wurde der “Freundeskreis”-Leiter der SPÖ-Stiftungsräte, Karl Krammer, in einer Nacht- und Nebel-Aktion durch Niko Pelinka ersetzt. Danach übernahm die SPÖ den Vorsitz im ORF-Publikumsrat sowie im Stiftungsrat und brachte sich bei verschiedenen Postenbesetzungen im Fernsehen und Radio mit Wünschen ein, zuletzt etwa bei der Bestellung des neuen Radiodirektors.
SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas soll in den vergangenen Wochen gleich mehrmals bei Wrabetz interveniert, der ORF-Chef deswegen sogar seinen Urlaub abgebrochen haben. Rudas und Pelinka würden ihrem Bundeskanzler zeigen wollen, dass die Jungen in der SPÖ in der Lage sind, im ORF personell etwas zu bewegen, ist im ORF zu hören. “ÖVP-Spin”, heißt dazu bei den Roten. Und Wrabetz-Vertraute bezeichnen solche Behauptungen abwechselnd als “Schwachsinn” oder “völligen Blödsinn”.
ORF-General Alexander Wrabetz tue alles, um es der SPÖ recht zu machen, am Ende könnte er wie Karl Krammer drei Tage vor der Wahl fallen gelassen werden, heißt es in kritischen SPÖ-Kreisen weiter. Vom “Red Man Walking” ist die Rede. Wrabetz selbst übte zuletzt laute Kritik an den ständigen Punzierungen von ORF-Leuten. Der Generaldirektor befinde sich keinesfalls in den Fängen der SPÖ, betonen enge Mitarbeiter des ORF-Chefs. Diese Geschichten würden aus der ÖVP gestreut.
Dort beschäftigt das Thema inzwischen auch die Parteispitze. ÖVP-Chef Josef Pröll soll Bundeskanzler Werner Faymann (S) bereits nahegelegt haben, es im ORF nicht zu überziehen, sonst könnte es der SPÖ bei der Wahl der neuen ORF-Führung 2011 ähnlich ergehen wie der ÖVP 2006, berichten Pröll-Vertraute. 2006 hatten die Schwarzen über Monate die Tonlage im ORF vorgegeben, bis es Rot, Blau, Orange und Grün zu bunt wurde und mit einer “Regenbogenkoalition” gegen die ÖVP einen Managementwechsel herbeiführten.
Von einer solchen Entwicklung könnte nächstes Jahr Informationsdirektor Oberhauser profitieren. Oberhauser, der sich gerade als Bollwerk der Unabhängigkeit positioniert, könnte mit Unterstützung der ÖVP und anderer bei der Wahl zum ORF-Generaldirektor gegen Wrabetz antreten, heißt es im ORF. Der Informationsdirektor habe nichts zu verlieren, da er Ende 2011 ohnehin das Pensionsantrittsalter erreichen würde. Nach der Nationalratswahl 2013 und einem damit einhergehenden Wechsel im Kanzleramt von Rot auf Schwarz könnte Oberhauser dann vorzeitig an den Kaufmännischen Direktor Richard Grasl übergeben, so die kolportierten Überlegungen der Bürgerlichen. Grasl, der als ÖVP-Hoffnung im ORF gilt, könnte so die ORF-Wahlen im kommenden Jahr unbeschadet übertauchen.
Wrabetz scheint derzeit aber eine Mehrheit im ORF-Stiftungsrat sicher. Er hat bisher über 130 Abstimmungen in den ORF-Gremien gewonnen. Die SPÖ signalisierte zuletzt wiederholt, dass man hinter dem aktuellen ORF-Chef stehe. Und die “Ampel-Koalition” soll offenbar das kommende ORF-Wahljahr überdauern. Ein hochrangiger ORF-Mitarbeiter geht unterdessen davon aus, dass SPÖ und ÖVP im ORF wieder zusammenfinden werden: “Wenn sich die politische Lage nach den Herbst-Wahlen wieder beruhigt hat, dann werden Faymann und Erwin Pröll wohl wieder die entscheidende Achse bilden.”
Ins Rennen um den ORF könnte freilich noch ein Überraschungskandidat einsteigen. Am Küniglberg hoffen manche auf Gerhard Zeiler. Der frühere ORF-Chef hat zwar gerade seinen Vertrag mit Bertelsmann um weitere fünf Jahre verlängert, der ORF liegt Zeiler aber nach wie vor am Herzen, und auch privat zieht es den obersten RTL-Boss immer wieder nach Wien. Beim Abschiedsfest des früheren ORF-Personalchefs Wolfgang Buchner sprach Zeiler vergangene Woche laut “Standard” von zweierlei Führungspersönlichkeiten in Politik und Wirtschaft: jene, “die Ziele haben, etwas bewegen möchten”, und jene, die den Job haben wollen. Dass “vieles” in den letzten Jahren “nicht 100-prozentig läuft”, liege wohl an mehr Führungskräften zweiter Kategorie. Zeilers Botschaft an die versammelten ORF-Kapazunder: “Eine Entscheidung ist besser als keine Entscheidung. Öfter Nein als Ja sagen. Widerstand leisten gegen unsachlichen Druck.”