“Das Opfer ist wie durch ein Wunder nicht schwer oder lebensgefährlich verletzt worden”, stellte die Staatsanwältin fest. Dessen ungeachtet legte sie dem zum Tatzeitpunkt 14-Jährigen versuchten Mord zur Last: Nach ihrem Dafürhalten hielt der Angeklagte das Ableben des Obdachlosen für ernstlich möglich und fand sich damit ab. Dieser sei “gezielt” und “skrupellos” vorgegangen, habe trotz seines jugendlichen Alters bereits in der Vergangenheit andere Leute verletzt und nur deshalb bisher keine Vorstrafen am Kerbholz, weil er damals noch strafunmündig war. “Es gibt ihm einen Kick, andere Personen tätlich anzugreifen und zu verletzen”, bemerkte die Anklägerin.
Nachdem er in der Wohnung eines um fünf Jahre älteren Freundes die ganze Nacht Playstation gespielt und ferngesehen hatte, kamen die beiden Jugendlichen auf die Idee, gegen 2.00 Uhr “spazieren zu gehen”, wie sich der 15-Jährige ausdrückte. Sie wollten jemanden ausrauben, um sich Geld für Drogen zu beschaffen, die ihnen ausgegangen waren. Die Freundin des 20-Jährigen begleitete die beiden, die mehr oder weniger ziellos zur nächsten U-Bahn-Station marschierten.
Dort angelangt, setzten sie sich auf eine Parkbank und unterhielten sich eine Weile. Ein 50-jähriger Obdachloser, der sich in der Nähe niedergelassen hatte, fühlte sich in seiner Nachtruhe gestört und bat die Jugendlichen, still zu sein. Daraufhin gingen die Burschen auf den in einen Schlafsack eingewickelten, am Boden liegenden Mann zu. Während der 20-Jährige, der seit einiger Zeit Kickboxen betreibt, diesem gegen Kopf und Oberkörper trat, kniete sich der 15-Jährige hin und stach dem Wehrlosen dreimal ein Küchenmesser in den Rücken.
Zu seinem Motiv befragt, stotterte der bleiche, kleingewachsene Bub nun mit leiser Stimme herum und gab dem Schwurgericht zu verstehen, er könne sich nicht erinnern bzw. habe “nix gedacht”. Sein älterer Freund, der mit ihm die Anklagebank zu teilen hatte, habe ihn insofern ermuntert, als dieser ihn aufforderte, “dass ich’s mich trauen soll”.
Nachdem die Täter davongelaufen waren, holte sich der Unterstandslose über sein Mobiltelefon Hilfe. Der 50-Jährige kam rasch ins Spital, wo zwei Schnittverletzungen und eine zwei Zentimeter tiefe Stichwunde festgestellt wurden.
Die Gewaltbereitschaft des 15-Jährigen untermauerte ein von der Anklage mitumfasster Vorfall aus dem Dezember 2009. Damals hatte er in einen Plastikbeutel uriniert, diesen zusammengeknotet und vor mehreren Freunden einer 59-jährigen Frau, die sich am Heimweg vom Theater befand, ins Gesicht geschleudert, so dass das Sackerl platzte. Als er damit jetzt konfrontiert angab, es habe sich um “Spaß” gehandelt, platzte Richterin Beate Matschnig der Kragen: “Ich verwehre mich dagegen, dass das Spaß ist. Das ist eine ziemlich unappetitliche Geschichte.”