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Obama preist "historisches" Abkommen mit dem Iran

Einigung macht "das Land und die Welt sicherer".
Einigung macht "das Land und die Welt sicherer". ©AP
US-Präsident Barack Obama hat die historische Einigung im Streit um das iranische Atomprogramm gepriesen. Das Abkommen mache "das Land und die Welt sicherer", sagte Obama am Dienstag in einer Fernsehansprache aus dem Weißen Haus. Für den Iran sei "jeder Pfad" zur Atombombe abgeschnitten. Die Verbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten sei "gestoppt".

Obama sagte, das Abkommen beruhe nicht auf Vertrauen, sondern auf einer Überprüfung durch internationale Inspektoren. Sollte Teheran gegen seine Verpflichtungen verstoßen, würden die Sanktionen sofort wieder “zuschnappen”. Der Präsident rief den US-Kongress auf, die Einigung mit dem Iran mitzutragen. Für den Fall einer Ablehnung des Deals durch das Parlament drohte er mit seinem Veto.

Deal als Obamas größter Coup?

Zuletzt saß Barack Obama nur noch im Weißen Haus – und wartete und zitterte. Die vergangenen Tage dürften für ihn die nervenaufreibendsten seiner Amtszeit gewesen sein. Seinen Terminplan hatte sich der US-Präsident radikal ausdünnen lassen: Nichts anderes zählte mehr, wie gebannt schaute er auf die Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran. Und jetzt: Obama im Glück? Oder hat die ganze Sache doch noch einen Pferdefuß?

Obama weiß nur zu gut: Klappt der Deal, wird er zu seinem größten Triumph – ein dickes Lob in den Geschichtsbüchern wäre ihm gewiss. Scheitert er doch noch, etwa am Widerstand der Republikaner im Kongress, wäre es seine größte Schlappe.

Es geht um Krieg und Frieden

Obama und seine Gegner wissen auch: Letztlich geht es um Krieg und Frieden. Seit Jahren geht im Weißen Haus das Gespenster-Szenario um, dass Israel unter dem Hardliner Benjamin Netanyahu einen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen startet – und das Weiße Haus womöglich erst Stunden zuvor unterrichtet. Die USA, so das Kalkül im Weißen Haus, wären dann gezwungen, militärischen Beistand zu leisten – Planspiele des Pentagons gehen laut Medienberichten von mehreren Hundert toten US-Soldaten aus.

Angst bei den Gegnern

Die andere Angst, die vor allem unter Gegnern des Deals verbreitet ist: Der Iran streift durch das Abkommen seinen Paria-Status ab, nutzt die nach dem Embargo-Ende sprudelnden Milliarden-Einnahmen für Waffenkäufe – und wird so zur dominierenden Regionalmacht, was zugleich größte Gefahr für Israel bedeutet. Den USA wiederum wären nach dieser Lesart nach dem Deal die Hände gebunden, ihre Bereitschaft zum militärischen Eingreifen würde radikal abnehmen.

Grundtenor der Abkommens-Gegner: Dem Iran kann man nicht trauen, vom Nuklearprogramm wird Teheran nicht ablassen, auch nicht von der Sympathie für islamistische Extremisten. Ein Vertrag mit einem solchen Regime sei eher Augenwischerei.

“Ein Deal würde nicht nur Irans Nuklearprogramm legitimieren, sondern der Region zudem signalisieren, dass die USA den Iran als eine Macht betrachten, mit der man rechnen muss”, meinte der Nahost-Experte Ray Takeyh vom Washingtoner Think-Tank Council on Foreign Relations noch vor wenigen Tagen.

Entscheidend für den Widerstand in Washington dürften nicht zuletzt die Details des Vertrags sein. Ist die Vereinbarung wirklich wasserdicht, kann der Iran nicht hintenrum doch noch zur Bombe kommen?

Gegner des Deals formieren sich

Immerhin: Noch auf der Zielgeraden der Verhandlungen hatte sich ein halbes Dutzend ehemaliger Obama-Berater öffentlich zu Wort gemeldet und vor zu viel Nachgiebigkeit gewarnt. “Das Abkommen wird den Iran nicht an einer Entwicklung von Kernwaffen hindern. Es wird keine Zerstörung der iranischen Infrastruktur zur Anreicherung von Uran verlangen.” Das war starker Tobak.

Die Gegner des Abkommens haben sich längst formiert – und es waren nicht nur Republikaner, die die Verhandlungen mit der “Achse des Bösen” skeptisch bis hin zu tiefster Abneigung verfolgten. Keine andere außenpolitische Entwicklung entfachte in Washington derartige Emotionen wie der Atom-Deal.

Rund 60 Tage hat der Kongress nun Zeit und Gelegenheit, den Deal gutzuheißen oder zu kippen. Zwar kann Obama den Widerspruch des Kongresses mit seinem Veto abbügeln, und es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass der Kongress dieses Veto anschließend mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit außer Kraft setzen kann.

Veto wäre Schönheitsfehler

Aber es wäre bereits ein schwerer Schönheitsfehler, wenn Obama tatsächlich zum Veto greifen müsste, um seine wichtigste außenpolitische Errungenschaft durchs Parlament zu kriegen – das wäre wie ein hässlicher Fleck in den Geschichtsbüchern.

Doch im Hintergrund deuten sich schon ganz andere Möglichkeiten an. Optimisten hoffen, dass der Deal sozusagen zur Initialzündung wird und im Iran zu einer Öffnung führt. Zudem dürfte der von Sanktionen befreite Iran auch zur wirtschaftlichen Verlockung werden – US-Unternehmen wollen das Geschäft sicherlich nicht den Europäern überlassen.

Gemeinsames Vorgehen gegen IS

Und verwegene Zeitgenossen spekulierten bereits unlängst, angesichts der Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) könnten sich Teheran und Washington auf die eine oder andere Art die Hand reichen.

Doch das liegt noch in weiter Ferne. Viel zu gegenwärtig ist in den USA noch immer die Demütigung durch die Geiselnahme in Teheran 1979. Über 50 Amerikaner gerieten damals in die Hand iranischer Studenten, die ihre Geiseln mit verbundenen Augen den Kameras der Welt vorführten – über ein Jahr dauerte die Schmach.

Auswirkungen schwer abzusehen

Auch die Auswirkungen des Deals mit Teheran sind schwer abzusehen. Der Nahost-Experte Kenneth M. Pollack vom Washingtoner Brookings-Institut warnt vor überzogenen Erwartungen – und Befürchtungen. Für den obersten iranischen Führer Ajatollah Ali Khamenei komme es zunächst einmal ausschließlich drauf an, dass die Sanktionen aufgehoben werden: “Nicht mehr und nicht weniger. Es scheint unwahrscheinlich, dass er eine breitere Annäherung an die Vereinigten Staaten unterstützt, was auch immer Außenminister Zarif und möglicherweise Präsident Rohani wollen mögen.”

Obama droht Kongress mit Veto bei Ablehnung des Abkommens

Obama hat dem amerikanischen Kongress mit einem Veto gedroht, falls dieser das Atomabkommen mit dem Iran zu kippen versuchen sollte. “Ich werde gegen jegliche Gesetzgebung ein Veto einlegen, die die Umsetzung dieses Deals verhindert”, sagte Obama am Dienstag im Weißen Haus.

Der Kongress, der das Abkommen nun innerhalb einer Frist von 60 Tagen überprüfen muss und mit einer Resolution noch stoppen könnte, bräuchte gegen das Veto eine nur schwer zu erreichende Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern. Obama bezeichnete die Einigung im Atomstreit als diplomatischen Durchbruch, der echten Wandel herbeiführe. “Lasst uns niemals aus Furcht verhandeln, aber lasst uns niemals davor fürchten, zu verhandeln”, zitierte Obama den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy. Auch dieser habe angesichts des gefährlichen nuklearen Wettrüstens mit der Sowjetunion im Kalten Krieg an den Erfolg von Diplomatie geglaubt.

“Der Deal beruht nicht auf Vertrauen, sondern auf Überprüfung”, sagte Obama. Sofern Teheran gegen bestehende Auflagen verstoße, würden die nun zu lockernden Sanktionen sofort wieder eingesetzt.

(APA)

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