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"Notfallzulassung" ermöglicht Einsatz von gefährlichem Pestizid

Durch "Notfallzulassungen" konnten gefährliche Pflanzenschutzmittel auch in Österreich weiter verwendet werden.
Durch "Notfallzulassungen" konnten gefährliche Pflanzenschutzmittel auch in Österreich weiter verwendet werden. ©APA/HERBERT PFARRHOFER (Symbolbild)
In der EU ist der Einsatz von drei Neonicotinoiden auf Äckern oder zur Saatgutbehandlung seit 2018 verboten. Durch "Notfallzulassungen" können diese auch in Österreich weiterhin verwendet werden.

Der Grund der Verbots war die Gefährlichkeit der Pflanzenschutzmittel für Bienen und andere Insekten. Durch "Notfallzulassungen" konnten die Mittel aber weiter verwendet werden. Österreich ist laut aktueller Studie der NGO PAN Europe EU-Meister bei dieser Praxis, berichtet Global 2000 in einer Aussendung - und hofft, dass der EuGH dem kommender Woche eine Ende setzen wird.

Einsatz von gefährlichem Pestizid durch "Notfallzulassung" möglich

Die Notfallsituationen, aufgrund derer das Verbot von Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin umgangen werden kann, sind durch die EU-Pestizidverordnung geregelt, der PAN-Report "Banned pesticides still in use in the EU" untersuchte, wie oft diese Möglichkeit in der Praxis von den einzelnen EU-Staaten genutzt wird. Laut dem Ergebnis ist Österreich mit 20 derartigen Notfallzulassungen zwischen 2019 und 2020 negativer Spitzenreiter vor Finnland mit 18 und Dänemark mit 17 Notfallzulassungen. Staaten wie die Niederlande (5), Frankreich (4), Slowenien (3) oder Schweden (1) waren hier deutlich zurückhaltender, während Bulgarien, Malta und Luxemburg im Vergleichszeitraum ganz auf Notfallzulassungen verzichteten, berichtete Global 2000.

Bodenproben aus Anbaugebiet von Zuckerrüben in Niederösterreich

Die österreichische Umweltschutzorganisation hat für den am Donnerstag publizierten Report die Ergebnisse von Bodenproben aus heimischen Zuckerrübenanbaugebieten in Niederösterreich auf die wegen "inakzeptabler Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit" verbotenen Wirkstoffe untersuchen lassen und die besagten Neonicotinoide nachgewiesen. Untersucht wurden dafür zwei Erdproben aus einem Zuckerrübenanbaugebiet im Marchfeld, eine Schlammprobe aus einem Abwasserauffangbecken der Agrana Zuckerfabrik Tulln, eine Stichprobe aus einer großflächigen Ablagerung von Schlamm auf einer Ackerfläche, bei der es sich laut Global 2000 mutmaßlich um Abfälle aus der Rübenverarbeitung in der Zuckerfabrik Tulln handelt.

Köstinger habe Notfallzulassungen 2018 ausgesprochen

Der Nachweis ist nicht verwunderlich, nachdem Österreichs damalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) 2018 dem Verbot zugestimmt, aber in diesem Jahr auch die Notfallzulassungen aussprach, mit denen dass EU-Verbot auf rund 40.000 Hektar Rübenfläche in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark außer Kraft setzte. Seither wurde diese Notfallzulassung Jahr für Jahr erneuert, kritisierte Global 2000 diese Praxis.

"Verfehlte Prioritätensetzung in der Landwirtschaftspolitik"

Das Ergebnis des PAN-Reports ist für den Global 2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden "Ausdruck einer verfehlten Prioritätensetzung in der Landwirtschaftspolitik", es sei absolut unverständlich, dass ein Land wie Österreich mit seiner kleinstrukturierten Landwirtschaft und seinem hohen Bio-Anteil, häufiger als jedes andere Land in der EU, das Instrument der "Notfallzulassung" nutzt.

Beschwerden gegenüber derartigen Notfallzulassungen von Pestiziden

Global 2000 erinnerte zudem an die 2019 gemeinsam mit PAN Europe ausgearbeiteten Beschwerden gegenüber derartige Zulassungen, die für die beiden NGOs ein rechtswidriges Vorgehen bedeuten. Nächste Woche, am 19. Jänner, werde nun der EU-Gerichtshof EuGH "ein möglicherweise richtungsweisendes Urteil zur Rechtmäßigkeit von wiederkehrenden Notfallzulassungen für verbotene Pestizide sprechen" kündigte Burtscher-Schaden an: "Wir erwarten dieses Urteil mit Spannung."

Keine weiteren Notfallzulassungen für Neonicotinoide

Man gehe davon aus, dass Österreich bis zum Vorliegen des Urteils keine weiteren Notfallzulassungen für Neonicotinoide erteile, laut Information des Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) wurde für 2023 bereits ein Antrag für eine solche gestellt. An Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) appellierte Burtscher-Schaden, dem "lockeren Umgang mit Notfallzulassungen von gefährlichen Pestiziden endlich ein Ende zu setzen". Auch schriftlich wandte man sich an den Landwirtschaftsminister, dieser solle sicherstellen, dass eine Zulassung "in Kenntnis und im Sinne des für den 19. Jänner erwarteten höchstgerichtlichen Urteils" erfolgen solle.

(APA/Red)

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