Ein pro-britischer Extremist warf eine Tasche, aus der Rauch quoll, auf die Sicherheitskräfte des Parlaments in Belfast. In der Tasche sei eine Bombe, rief er. Die Polizei überwältigte ihn und evakuierte das Gebäude. Der Zwischenfall warf ein Schlaglicht auf die nach wie vor tiefen Gräben zwischen den pro-britischen Protestanten und den pro-irischen Katholiken: Der Führer der protestantischen Democratic Unionist Party (DUP), Ian Paisley, lehnte es ab, die Führung einer gemeinsamen Regierung mit der katholischen Sinn Fein zu übernehmen.
Hauptstreitpunkte der Verhandlungen zwischen der Democratic Unionist Party (DUP) und der Sinn Fein sind die künftige Machtverteilung sowie die Frage, wem die nordirische Polizei unterstellt sein soll. Die der früheren Untergrundbewegung IRA nahe stehende Sinn Fein fordert ein verbindliches Datum für die Übertragung der Polizeiaufsicht von der britischen Regierung an die künftige Führung in Belfast. Die pro-irischen Katholiken sind traditionell misstrauisch gegenüber der nordirischen Polizei: Sie werfen ihr vor, auf der Seite der Protestanten zu stehen. Die DUP will dagegen Beweise für die Verlässlichkeit der Sinn Fein, bevor die Übergabe der Polizeigewalt festgelegt wird.
Nach der Rede Paisleys erzwang der protestantische Extremist Michael Stone mit einer Bombendrohung die Räumung des Parlaments. Stone wurde nach Polizeiangaben festgenommen. Er war bereits 1988 in Zusammenhang mit einem Anschlag auf ein Begräbnis dreier IRA-Mitglieder in die Schlagzeilen gekommen. Bei dem Attentat auf dem katholischen Friedhof in Belfast starben ein Mitglied der IRA und zwei Zivilisten.
Premierminister Tony Blair verurteilte die Aktion in einer Erklärung in London als Versuch, den nordirischen Friedensprozess zu Fall zu bringen. Er rief die Vertreter der republikanisch-katholischen und der pro-britischen protestantischen Parteien auf, ihre Verhandlungen über eine gemeinsame Regionalregierung für ein künftig weitgehend autonomes Nordirland rasch wieder aufzunehmen.
Zunächst war unklar, ob das Treffen nach dem Zwischenfall weitergehen würde – nicht nur wegen des Sicherheitsalarms, sondern auch wegen der Äußerungen Paisleys. Der Loyalist hatte sich in der Vergangenheit oft als Scharfmacher erwiesen und eine Zusammenarbeit mit der IRA-Partei Sinn Fein abgelehnt. Die Umstände sind noch nicht so, dass es eine Nominierung oder eine Designierung geben könnte, sagte er.
Die britische und die irische Regierung hatten den Nordiren ein Ultimatum für eine Einigung gesetzt und mit der Auflösung der nordirischen Versammlung gedroht. Die Selbstverwaltung ist vor fünf Jahren im Streit über die IRA auf Eis gelegt worden. Dem Plan Blairs und seines irischen Kollegen Bertie Ahern zufolge soll sie März 2007 vollständig in Kraft gesetzt werden. Sollte dies nicht gelingen, stünde mit der angedrohten Auflösung der nordirischen Versammlung das Karfreitagsabkommens von 1998 vor dem Aus. Dieses hatte drei Jahrzehnte der Gewalt in dem Konflikt zwischen der protestantischen Bevölkerungsmehrheit und der katholischen Minderheit beendet, bei dem etwa 3.600 Menschen getötet wurden.