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Noch ein Foto von den WKR-Ball-Demos

Dr. Andreas Unterberger über den Akademikerball.
Dr. Andreas Unterberger über den Akademikerball. ©APA
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger: Die erste Erregung über die neuerlichen Ausschreitungen rund um den Wiener Hofburgball ist abgeflaut. Umso wichtiger ist es, die klaren Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaats festzuhalten, die da bei manchen Medien bedenklich ins Wanken geraten sind.

Bei diesen Grundsätzen stehen Gewaltfreiheit und Versammlungsfreiheit ganz an der Spitze. Und wenn eine Partei wie die Grünen – etwa der Wiener Klubobmann der Partei – mit diesen Grundsätzen so wie in der gewalttätigen Anfangsphase der Grünen noch immer Probleme hat, dann ist das mehr als bedenklich.

Versammlungsfreiheit

Aber haben nicht die Grünen genauso das Recht auf Versammlungsfreiheit wie die Blauen? Gewiss. Aber der Rechtsstaat sagt ganz klar: Versammlungsfreiheit darf nicht dazu benutzt werden, um die Versammlung eines anderen zu stören. Die Freiheit des einen endet immer an der Freiheit des anderen. Das heißt: Die Grünen und ihre Sympathisanten haben das Recht auf (friedlich bleibende!) Demonstrationen rund ums Jahr, und auch zum Zeitpunkt des Balls an jedem anderen Ort. Aber es ist selbstverständliche Pflicht der Polizei, eine ordnungsgemäß gemeldete Veranstaltung vor Störungen zu schützen. Oder es zumindest zu versuchen, wie etwa durch eine Platzsperre angesichts von langer Hand geplanter und durch Import deutscher Gewalttäter intensivierter Störaktionen.

Gewiss sind die Kosten für den Polizeieinsatz mehr als ärgerlich. Aber diese können niemals ein Grund sein, Veranstaltungen zu untersagen. Die Kosten sollten höchstens bei denen eingetrieben werden, die sich nicht an Regeln des Rechtsstaats halten.

Polizeieinsätze und ihre Kosten

Denn wenn die Kosten der Polizeieinsätze wirklich ein Argument wären, Veranstaltungen abzusagen, dann müssten auch wöchentlich sämtliche Fußball-Bundesliga-Spiele verboten werden (Spiele der Champions-Liga erst recht, aber da ist Österreich ja nur Zuschauer). Denn auch große Fußballspiele verursachen teure Polizeieinsätze, auch oft lange nach einem Spiel oder schon vorher. Dabei tun sich oft Anhänger-Gruppen der beiden Wiener Vereine besonders negativ hervor (auch wenn mir einer dieser Klubs davon seit Jugendtagen irgendwie ans Herz gewachsen ist).

Wären die Grünen eine voll in der Rechtsordnung angekommene Partei, dann würden sie prinzipiell jede Kooperation mit potenziell gewalttätigen Gruppen stoppen. Dann würden sie auch die Abhaltung eines ihnen alles andere als sympathischen Balls ignorieren, solange dort nichts Rechtswidriges passiert. Ich bin ja auch nie zum FPÖ- (oder früher WKR-)Ball gegangen. Genausowenig wie ich zu geselligen Veranstaltungen der Grünen oder einer anderen Partei gehe.

Bei der Polizei hatte diesmal ganz offensichtlich der Verfassungsschutz das Kommando übernommen. Und Polizeipräsident Pürstl war heuer kaum zu hören. Das ist gut so. Hat dieser doch im Vorjahr mit mehr als deplatzierten Kommentaren gezeigt, dass er nur ein braver Parteisoldat ist und überhaupt nicht begriffen hat, worum es geht. Diesmal hat die Polizei wenigstens versucht, die beiden Gruppen zu trennen. Während früher von ihr eher Zynismus zu hören war.

Grünen auf der Seite der Gewalttäter?

Neben den Grünen haben sich erstaunlicherweise auch die Neos indirekt an die Seite der Gewalttäter gestellt. Sie haben vehement gegen das von der Polizei verhängte Vermummungsverbot protestiert. Man kann nun durchaus diskutieren, ob ein solches in einem liberalen Rechtsstaat am Platz ist. Vermummungsverbote werden freilich aus gutem Grund in immer mehr Ländern eingeführt: wegen gewalttätiger Demonstranten; aber auch wegen der von radikalen Muslims forcierten Ganzkörperverschleierung von Frauen. Diese ist nicht nur menschenrechtlich bedenklich, sondern auch schon mehrfach zur Tarnung von Attentätern missbraucht worden. Der Schutz der Bürger vor Kriminalität ist jedenfalls durchaus ein liberales Urprinzip (was von den Linken ja sogar gerne als Nachtwächter-Liberalismus denunziert wird). Und es ist auch ein urliberales Prinzip, sich offen zu seinen Meinungen zu bekommen.

Trotzdem kann man wie die heutigen noch immer ganz stark vom linken Gedankengut der Heide Schmidt beeinflussten Neos natürlich auch meinen, dass ein Vermummungsverbot nicht liberal wäre. Nur eines kann man sicher nicht: sich laut über dieses Verbot aufzuregen, aber kein Wort gegen Gewalttaten und die versuchte Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu sagen. Das ist dann nur noch Chuzpe und verlogen.

Was passiert auf dem Akademikerball?

Aber wie sieht es nun eigentlich drinnen auf dem Ball aus? Ich war zwar nie dabei, aber nach allen unabhängigen Berichten geht es dort so zu wie auf jedem Ball. Die einst liberale „Presse” hat dennoch Druck auf die Hofburg-Betreiber ausgeübt, künftig den Ball zu untersagen. Ihr Argument: Dort säßen auch Leute, „die mit der NS-Vergangenheit flirten”. Das ist ohne Konkretisierung, ohne Beweise ein mehr als leichtfertiger Vorwurf. Leben wir doch in einem Land, das die strengsten Wiederbetätigungsgesetze hat (die gerade wieder etliche Menschen wegen solcher „Flirts” auf Jahre ins Gefängnis gebracht hat). Weiß die „Presse” mehr als ich? Dann sollte sie es konkret mit Namen und Aussagen nennen. Dann ist nach den geltenden Gesetzen gegen die Betreffenden vorzugehen. Aber sicher nicht kann es in einem Rechtsstaat von Zeitungen verlangte Kollektivstrafen geben.

Der vage und unsubstantiierte Vorwurf eines „Flirts” ist jedenfalls einer Qualitätszeitung unwürdig. Wenn es aber nichts Strafbares gibt, sondern nur allgemeine moralische Bedenken: Dann wird man erst dann glaubwürdig, wenn man ebenso die Unterbindung aller Veranstaltungen verlangt, über die irgendjemand behauptet, dass dort auch Leute sitzen, die mit dem Kommunismus flirten? Oder sind dem Blatt „Flirts” mit dem Kommunismus egal, obwohl dieser rund 80 Millionen Menschen umgebracht und einer noch viel größeren Menge das ganze Leben zerstört hat?

Ballbesucher sind “unsympathisch”

Ich kann es voll verstehen, dass jemandem andere Menschen, etwa die Besucher eines Balls unsympathisch sind (schließlich ist auch mir vieles unsympathisch). Aber deswegen etwas verhindern, etwas unterbinden zu wollen, ist eindeutiges Zeichen einer totalitären Gesinnung.

Man kann nur immer wieder den weisen Voltaire-Spruch zitieren, der eine der wichtigsten Grundlagen liberalen und aufgeklärten Denkens ist: Ich lehne voll ab, was sie sagen; ich werde aber alles tun, dass sie es sagen können.

Über Dr. Andreas Unterberger:

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse” bzw. „Wiener Zeitung”. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch”, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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