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Niederlande: Regierung tritt zurück

Der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende hat am Donnerstag den Rücktritt seiner Mitte-rechts-Regierung angekündigt und vorzeitige Neuwahlen gefordert.

Die niederländische Regierung ist am Streit über den Umgang mit der prominenten Ex-Abgeordneten Ayaan Hirsi Ali zerbrochen. Der christdemokratische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende kündigte am Donnerstagabend den Rücktritt des gesamten Kabinetts an und forderte vorzeitige Neuwahlen.

Sein kleinster Koalitionspartner, die Partei D-66, hatte ihren Rückzug aus der Regierung angekündigt, weil Balkenende an der umstrittenen Einwanderungsministerin Rita Verdonk festhielt. Verdonk hatte der gebürtigen Somalierin Hirsi Ali mit dem Entzug der niederländischen Staatsbürgerschaft gedroht.

Verdonk überstand am Donnerstagmorgen zwar einen Misstrauensantrag im Parlament, die kleinste Regierungspartei D-66 votierte jedoch gegen die Ministerin. D-66-Fraktionschefin Lousewies van der Laan erklärte im Parlament, Balkenende müsse zwischen Verdonk und dem Fortbestand der Koalition entscheiden.

Der Ministerpräsident lehnte eine Kabinettsumbildung jedoch ab, woraufhin die D-66 aus der Koalition ausstieg. Balkenende verlor damit seine Mehrheit im Parlament.

Hirsi Ali ist als Buchautorin und Islam-Kritikerin über die Grenzen der Niederlande hinaus bekannt. Sie gehörte wie Ministerin Verdonk der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) an.

Hirsi Ali hatte 1992 falsche Angaben in ihrem Asylantrag gemacht, um einer Zwangsheirat zu entgehen. Dies war allerdings seit Jahren bekannt. Verdonks Drohung mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft stieß deswegen bei vielen Niederländern auf Unverständnis.

Koalition zerbrochen

Die seit dreieinhalb Jahren in Den Haag regierende Mitte-Rechts-Koalition ist auseinander gebrochen. Die Sozialdemokraten wollen jetzt Neuwahlen. Die kleinste Regierungspartei D66 entzog am Donnerstag dem Kabinett des christdemokratischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende die politische Unterstützung. Der sozialdemokratische Oppositionsführer Wouter Bos forderte rasche Neuwahlen. Planmäßig würde erst im Mai des kommenden Jahres wieder gewählt.

Die sechs Abgeordneten der linksliberalen D66 reagierten mit ihrem Ausscheiden aus der überwiegend konservativen Koalition auf die Weigerung Balkenendes, die seit langem umstrittene Ausländerministerin Rita Verdonk auszuwechseln. D66 hatte zuvor einen Misstrauensantrag der oppositionellen Grünen gegen Verdonk gemeinsam mit der sozialdemokratischen Arbeitspartei (PvdA) unterstützt.

Der Misstrauensantrag gegen Verdonk im Zusammenhang mit der Affäre um die Einbürgerung der aus Somalia stammenden Politikerin Hirsi Alis scheiterte mit 65 gegen 79 Stimmen. Dennoch forderte die D66- Fraktionschefin Lousewies van der Laan, Balkenende müsse sich entscheiden, ob er mit Verdonk oder mit D66 weiter regieren wolle. Nach einer Krisensitzung des Kabinetts erklärte Balkenende, die Minister seien einhellig der Meinung, dass das gescheiterte Misstrauensvotum „keine Folgen für das Kabinett“ habe. Damit habe Balkenende sich für Verdonk und gegen D66 entschieden, sagte van der Laan. Ohne die sechs Linksliberalen hat Balkenendes Bündnis nur 71 Stimmen in der aus 150 Abgeordnete bestehenden Zweiten Kammer, dem Parlament in Den Haag.

Wouter Bos, der seit langem als Spitzenkandidat der PvdA feststeht und in Meinungsumfragen vor Balkenende liegt, sagte, der Regierungschef müsse jetzt zur Königin gehen und ihr mitteilen, dass er keine ausreichende Basis mehr im Parlament habe. „So schnell wie möglich“ sollten Neuwahlen stattfinden, verlangte Bos. Balkenende lehnte es zunächst ab, sich zu der neuen Situation zu äußern.

Wenn die Königin ein Rücktrittsangebot des Ministerpräsidenten annimmt, muss innerhalb von 30 Tagen neu gewählt werden. Die Königin kann aber auch einen Vermittler einsetzen, der versucht, die Koalition wieder zusammenzubringen. Auch eine Fortsetzung der Koalition aus Christdemokraten (CDA) und Rechtsliberalen (VVD) ohne die D66 mit einer Minderheitsregierung ist nicht ausgeschlossen.

In einer Dringlichkeitsdebatte hatte das Parlament bis in die Morgenstunden über die Entscheidungen Verdonks in Bezug auf die 1997 erfolgte Einbürgerung Hirsi Alis diskutiert. Die aus Somalia stammende umstrittene Politikerin hatte zugegeben, für ihren 1992 genehmigten Asylantrag falsche Namensangaben gemacht zu haben. Verdonk sah die Einbürgerung Hirsi Alis deshalb als nichtig an. Nach erheblichen Protesten korrigierte sie diese Entscheidung. Sie ließ Hirsi Ali aber unterschreiben, die Affäre selbst ausgelöst zu haben. Beide Politikerinnen gehören derselben Partei an, der rechtsliberalen VVD.

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