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Nichts wie auf ins Wirtshaus

Eine Studie der Wiener Wirtschaftskammer lässt "Sparefrohs" aufatmen: Wien "isst" im europäsichen Vergleich am billigsten - Kopenhagen, London und Paris sind am teuersten.

In keiner anderen europäischen Metropole kann man in Restaurants und Beiseln so günstig Essen und Trinken. Das behauptet die Studie der Wiener Wirtschaftskammer, die am Mittwoch von WKW-Präsident Walter Nettig standesgemäß im Wiener Restaurant “Meinl am Graben” präsentiert wurde. Bei den Preisen für eine Hauptspeise oder ein Achterl Tafelwein sind die Wiener Gastronomen demnach die Billigstbieter.

Für die Untersuchung schwärmten heimische Handelsdelegierte in Kopenhagen, London, Paris, Berlin, Brüssel, Dublin, Stockholm, Mailand, Helsinki, München, Frankfurt, Madrid und Lissabon aus, um mit Stichtag 1. Oktober 2002 die Preise in 100 Spitzenbetrieben, Kaffeehäusern in Bestlagen sowie einfachen Gasthäusern zu erheben. Das Ergebnis laut Nettig: Wien ist die Stadt mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Im Gesamtvergleich der Speisen schnitt die Bundeshauptstadt demnach am allerbesten ab: Lissabon liegt als zweitbilligste Stadt um drei Prozent darüber, danach folgen Madrid (32 Prozent) und Frankfurt (40 Prozent). Die höchsten Preise wurden in Paris (120 Prozent über dem Wiener Niveau), London (125 Prozent) und Kopenhagen (143 Prozent) registriert.

Nettig betonte, dass für die Untersuchung “Äpfel mit Äpfeln und nicht mit Birnen“ verglichen worden seien. Um sinnvolle Ergebnisse zu erzielen, seien bei den Speisen jeweils landestypische klassische Hauptgerichte herangezogen worden. Das gute Wiener Ergebnis sei „umso bemerkenswerter, als in Österreich die Lohnnebenkosten nach wie vor im europäischen Spitzenfeld liegen“.

Zurückzuführen seien die günstigen Preise unter anderem auf den hohen Konkurrenzdruck in Wien. Belegt wird das durch Wirtschaftskammer-Zahlen: Bei knapp 1,6 Millionen Wienern gibt es 6.911 Gastronomiebetriebe mit 26.165 Beschäftigen. In den Bezirken 1 bis 9 kommt auf jeden zweiten Einwohner ein Sitz- oder Stehplatz in einem Restaurant oder Cafe. In Hamburg sind es bei 1,7 Milllionen Bewohnern nur 2.600 Gastro-Einrichtungen.

Die Frage, ob denn diese hohe Dichte an Lokalen auch in Zukunft haltbar wäre, mussten die Experten zähneknirschend mit “Jein” beantworten. Tatsache ist, dass viele junge Gastronomen nicht mehr wie ihre Eltern Tag und Nacht im Geschäft stehen wollen. Der Charakter der Gastronomie, weg vom Wirtshaus hin zum Szeneschuppen, ändert sich dadurch und wird jünger. Apropos, Systemgastronomie, wie McDonald’s, Pizzahut und ähnliche Betriebe, wurde nicht in die Studie miteingebaut. Und ein weiterer Makel sticht nach genauem Betrachten ins Auge: Die unterschiedlichen Einkommensniveaus in den getesteten Städten wurden nicht beachtet.

Fazit: Bleibt die Frage, warum “isst Wien billiger”? Nun, die Konkurrenz ist durch die hohe Dichte der Gastronomiebetriebe extrem groß und der Preis wird als wirksames Druckmittel eingesetzt. Aber muss man sich nicht auch die Frage stellen, ob Frau und Herr Wiener einfach nicht bereit sind, mehr zu zahlen? Halten wird durch unsere Sparmoral die Qualität der angebotenen Speisen auf niedrigem Niveau und geben wir dadurch den Schnitzel-Wirtsleuten wenig Spielraum für Kreativität?

Redaktion: Birgit Tayerle

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