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"Nichts bringt Jelena zurück"

Koblach - "Wie geht es Ihnen?" Wenn Hilflosigkeit in Höflichkeit mündet, dann kommt so eine Frage heraus. An zwei gebrochene Eltern, deren Tochter brutal ermordet wurde. Die morgen im Gerichtssaal sitzen werden, wo sie den mutmaßlichen Mörder sehen, spüren, fühlen. Interview mit Anwalt 

Mutter Snezana Pavlovic, 42, und ihr Gatte Miroslav, 40, sitzen am Tisch in der Küche jenes Hauses, wo die Tat geschah. Ihre Mienen sind starr, ihre Augen leblos. Miroslav ist nur für kurze Zeit von der Valduna nach Hause gekommen, vollgepumpt mit Medikamenten. Snezana ist abgemagert. Die Rötungen rund um die Augen geben Zeugnis darüber, dass hier ein Mensch nicht mehr aufhören kann zu weinen.

Wie wird das?

„Wird dieser Prozess wenigstens so etwas wie ein Abschluss, der danach eurem Leben wieder eine Chance gibt?“ Auch die in einen Trostversuch gewickelte Frage geht ins Leere. „Es gibt nach Jelenas Tod für uns nie einen Abschluss“, sagt Miroslav. Snezana nickt. „Je näher der Gerichtstermin rückte, desto schlechter geht es beiden wieder“, berichtet Anwalt Nikolas Stieger. Snezana und Miroslav fürchten den Prozess. Der Anwalt hat ihnen erklärt, wie das dort ablaufen wird. Wo sie sitzen werden. Wo der Angeklagte. Wo der Richter. Aber wie wird das wirklich?

Keine Kraft mehr

Snezana und Miroslav sind derzeit nicht einmal imstande zu hassen. Denn zum Hassen braucht man ein Minimum an Kraft. Die haben sie nicht. „Egal, was er ausfasst. Es wird zu wenig sein. Jelena bringt uns niemand zurück“, stellt Miroslav klar. Seit der unfassbaren Bluttat hat es nie einen Kontakt gegeben zwischen der Familie des Täters und der Familie des Opfers. Obwohl Snezana die Mutter des mutmaßlichen Mörders kennt. „Sie putzte einmal in unserer Firma.“ Schon längst haben die Pavlovics auch jedes Interesse an einer Kontaktnahme verloren. Miroslav würde nur gerne dem Täter einmal ins Gesicht sehen und ihm eine Frage stellen. „Bist du dir überhaupt bewusst, was du unserer Familie angetan hast? Ja, das würde ich ihn gerne fragen.“

Schwer angeschlagen

Snezana und Miroslav Pavlovic wollen weg aus dem Todeshaus. „Wir haben eine Wohnung in Aussicht. Aber es dauert halt noch“, sagt Snezana. Neun Mal waren sie seit der Tat schon in ihrer serbischen Heimat. Dort, wo sie Jelena haben begraben lassen. Miroslav kann nicht mehr arbeiten, ist physisch und psychisch schwerst angeschlagen. Snezana arbeitet. Es tut ihr gut. „Ich bin in der besten Firma der Welt. Die Kollegen sind sehr nett und verständnisvoll mit mir.“ Im Wohnzimmer, dort wo Jelena durch Hiebe mit einer Bratpfanne starb, haben die Eltern einen Minigrabstein aus weißem Marmor mit einem Foto ihrer Tochter angebracht. Der kleine Raum mit den neuen Möbeln und den frisch gestrichenen Wänden macht einen so friedlich-gemütlichen Eindruck. Und wird das Grauen dennoch nicht los. Jenes Grauen, das Snezana und Miroslav Pavlovic morgen im Gerichtssaal wieder massiv begegnen wird. Das sie ein Leben lang nicht vollständig los werden.

Interview mit dem Anwalt des Angeklagten, Mag. German Bertsch

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