Mit einer Art Schau innerhalb der Dauerausstellung wartet das Naturhistorische Museum (NHM) Wien auf: Ein neuer Lehrpfad mit dem Titel "Höhlen - Schatzkammern der Wissenschaft" umfasst 21 Stationen in einer Vielzahl der Schausäle des Hauses am Wiener Ring. Inhaltlich spannt sich ein weiter Bogen - von erstaunlich zahlreichen winzigen Höhlenbewohnern über moderne Klimaforschung unter Tag bis zur Wiener Wasserversorgung, wie es am Dienstag bei der Präsentation hieß.
Rund ein bis zwei Sunden sollte man laut dem NHM für das Durchlaufen des umfassenden Pfades einplanen. Beim Finden des Weges und Einordnen des Gesehenen hilft ein eigener Plan und eine neue Broschüre. Darüber hinaus gibt es thematische Führungen oder Workshops im neuen Wissenschaftsvermittlungssaal "Deck 50".
Unterirdische Welten im NHM
So lasse sich die oft nicht so sichtbare, aber "ganz besondere Bedeutung" von Höhlen für die Wissenschaft und das alltägliche Leben erfassen, so NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland. Die unterirdischen Welten haben sich immerhin tief in unser kulturelle Gedächtnis gegraben, wie etwa als Rückzugsort oder Kultstätte unserer Vorfahren oder neuerdings als touristische Attraktionen. Zuletzt werden aber Höhlen auch als Klimaarchive geschätzt.
Man wolle "zeigen, wie wertvoll Höhlen für die Wissenschaft sind", sagte Lukas Plan, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Karst- und Höhlen-Arbeitsgruppe des NHM, der sich zur Präsentation mit seiner Kollegin Pauline Oberender aus der Oberen Kuppelhalle des Hauses abseilte. Wie umfassend Forschungsarbeit in einer Höhle sein kann, illustriert Oberenders bisher längster durchgehender Aufenthalt dort: Ganze 21 Tage verbrachte sie in der vierttiefsten Höhle der Welt im Kaukasus, der Snezhnaya-Höhle.
Über 18.000 Höhlen in Österreich verzeichnet
Immerhin die fünfttiefste dokumentierte Höhle liege aber mit dem Lamprechtsofen nahe Lofer (Salzburg) in Österreich. 1.727 Meter Höhenunterschied lassen sich in dem weitverzweigte System zurücklegen. Mit der Vermessung solcher Strukturen beschäftigen sich hierzulande rund 2.000 Hobbyforscher. Sie leisten laut Plan äußerst wichtige Dokumentations- und Erkundungsarbeit. Aktuell sind in Österreich rund 18.100 Höhlen verzeichnet und jährlich werden es um die 350 mehr. Rund 2.450 unterirdische Kilometer sind bisher vermessen.
Die Höhlen fungieren vielfach als "Zeitkapseln", die Ablagerungen und Tropfsteine werden etwa für die Klimaforschung immer wichtiger, sagte Plan. Wichtig sind die vielfältigen Karsthöhlen aber auch für die Wasserversorgung. In etwa die Hälfte der Österreicher erhält sein Wasser von dort. Das Wiener Wasser stammt zu 95 Prozent aus dem Karst. Somit sei der Schutz dieser besonderen Geo- und Biotope von größter Bedeutung für das Land.
Rätselhafte Kleintiere
Tatsächlich weisen auch die unwirtlichsten unterirdischen Kammern mitunter große Vielfalt an Leben auf, so die NHM-Zoologin Nesrine Akkari. Bis zu 250 Arten zählt man in manchen Höhlen. So etwa rätselhafte Höhlenfische, die die Forscherin Luise Kruckenhauser seit Jahren im Oman erforscht. Wie und in welchen Zeiträumen sich die meist blinden und blassen Höhlenformen entwickeln, und warum der Prozess überall auf der Welt scheinbar gleich abläuft, sei eines der großen Rätsel der Evolution, erklärte Kruckenhauser.
Abseits kleinerer Tiere aus der Tiefe verfüge man am NHM aber auch über herausragende Exponate größerer und bekannterer früherer Höhlenbewohner. So fehlen auch die "weltweit bedeutenden Funde" von Höhlenbären und Höhlenlöwe im neuen Rundgang nicht, wie der Leiter der Abteilung Geologie & Paläontologie am NHM, Mathias Harzhauser, betonte. Nicht zuletzt setzen sich einige der Stationen mit der vielschichtigen Beziehung der Menschen zu Höhlen in der Prähistorie auseinander. So streiche man etwa die eisenzeitlichen Funde in der in Tschechien gelegenen Býčí skála-Höhle heraus, die als Kult- und Opferstätte diente, erklärte Karina Grömer, von der Prähistorischen Abteilung des NHM.
(APA/red)