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New Yorks energische Anti-Rauch-Kampagne greift

Der TV-Spot soll schocken. "Mit 39 Jahren habe ich vom Rauchen Kehlkopfkrebs bekommen. So verlor ich meine Stimme", sagt der New Yorker Ronaldo Martinez in einem schnarrenden Computerton.

Er kann sich nur noch mit einer elektronischen Sprechhilfe verständlich machen. Atmen muss er durch ein Loch in seinem Hals.

Die Kamera fährt groß auf die klaffende Stelle, beobachtet, wie der Arzt ein Untersuchungsgerät einführt. „Ich lebe in der ständigen Angst vor einer neuen schlechten Nachricht“, sagt Ronaldo. „Das wird jetzt mein Leben lang so bleiben.“

Kampagnen wie diese haben der Stadt New York geholfen, die Zahl der Raucher in der Millionenmetropole drastisch zu senken. Seit kürzlich eine Studie belegte, dass in den vergangenen fünf Jahren fast jeder fünfte Raucher sein ungesundes Laster aufgegeben hat, ist die Nachfrage nach dem Erfolgsrezept groß. Immerhin sind nur noch 17,5 Prozent der New Yorker Bürger dem Glimmstängel verfallen, während der Schnitt USA-weit noch immer über 20 Prozent liegt.

Grund ist ein ehrgeiziges Anti-Rauch-Programm, mit dem Bürgermeister Michael Bloomberg den Big Apple seit 2002 zum Vorkämpfer gegen den blauen Dunst machen will. Unter dem Motto „Quit Smoking!“ (Hör auf zu Rauchen!) wurden in einem ersten Schritt die Verbrauchssteuern auf Tabak drastisch angehoben. Der Preis für eine Packung Zigaretten stieg schlagartig um fast ein Drittel – von 5,20 auf 6,85 Dollar, also umgerechnet von 3,77 auf 4,97 Euro.

Ein Jahr später folgte der nächste Coup: 2003 verhängten die Stadtväter ein absolutes Rauchverbot für praktisch alle Gebäude außer Privatwohnungen. Auch Büros und Firmen mussten ihre Raucherecken schließen, in Bars und Restaurants gilt eine Null-Toleranz-Politik. Verstöße werden mit Strafen bis zu 400 Dollar (290 Euro) geahndet, im Wiederholungsfall sind bis zu 2.000 Dollar (1.451 Euro) fällig. Allen Bürgern, die einem Gesetzesbruch auf die Spur kommen, bietet das Gesundheitsamt im Internet vorsorglich ein Beschwerdeformular an.

Gianni Garavelli, der seit 24 Jahren auf der noblen Upper East Side in seinem Restaurant „Bravo Gianni“ gepflegte nord-italienische Küche bietet, ist auf das Verbot nach wie vor schlecht zu sprechen. „Das ist verrückt. Ich habe 80 Prozent meiner Stammkundschaft verloren“, wettert er. „Wer hat schon Lust, sich nach dem Espresso mit seiner Zigarette auf dem dunklen Bürgersteig herumzudrücken?“ Doch die meisten New Yorker haben sich an den einst heiß diskutierten Erlass längst gewohnt. „Wenn ich ins Lokal gehe, will ich das Essen riechen und nicht die Zigarette vom Nebentisch“, sagt die Studentin Kim Nguyen (26), die sonst gern und regelmäßig eine pafft. „Außerdem sind die Klamotten nachher nicht so verräuchert.“

Abstinenzbereiten Qualmern bietet die Stadt eine breite Palette von Hilfen an. In jedem Krankenhaus gibt es eine Beratungsstelle und Adressen für Selbsthilfegruppen, sozial schlechter gestellte Bürger können sich um kostenlose Nikotin-Pflaster oder -Kaugummis bewerben, und auf der Telefon-Hotline mit der Nummer 1 – 866 – NY Quits (New York hört auf) geben geschulte Experten Rat für alle Notlagen.

Im vergangenen Jahr schließlich startete die Stadt eine groß angelegte Anzeigenkampagne. Neben dem Kehlkopf-operierten Ronaldo Martinez war etwa die todkranke Pam Laffin zu sehen, die wenige Monate nach der Aufzeichnung des Spots an Lungenkrebs gestorben war. Während sie an einem Sauerstoffgerät um Atem ringt, werden ihre beiden Kinder Amanda (12) und Krystell (9) mit großen, traurigen Augen gezeigt. „Zigaretten haben ihre Mutter umgebracht“, sagt eine plakative Schrift am Schluss. Im Schnitt wurde jeder New Yorker 110 Mal im Jahr mit einer solchen Anzeige konfrontiert.

„Mir war das zu brutal“, gesteht der Büroangestellte Timothy Mollison, der wie die restlichen gut eine Million Noch-Raucher in New York seine Zigarettenpause auf der Straße absolvieren muss. „Ich bin einfach abhängig.“ Gesundheitsreferent Thomas Frieden glaubt gleichwohl an den heilsamen Effekt und plant schon bald eine neue Serie. „Schonungslose Anzeigen wirken“, sagt Frieden – und will auch sonst die Daumenschrauben weiter anzuziehen. „Die Zeit für eine weitere Steueranhebung ist gekommen.“

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