New York: Treffen des Nahost-Quartetts
Das palästinensische Volk dürfe nicht für den Wahlsieg der Hamas büßen, schrieb Präsident Mahmoud Abbas in einem Brief an das Quartett, das am Dienstag in New York zusammenkommt. Erwartet werden auch Vertreter der Weltbank, die bereits vor einer humanitären Krise mit unabsehbaren Folgen gewarnt hat. In Israel ist es nach Informationen der Zeitung Yedioth Ahronoth erstmals zu einem Kontakt zwischen einem Vertreter der Regierung und inhaftierten palästinensischen Hamas-Abgeordneten gekommen.
Abbas forderte in seinem Brief ein Ende der nach der Hamas-Regierungsübernahme verhängten internationalen Sanktionen und fügte hinzu: Wir werden nicht klein beigeben und die Rechte unseres Volkes aufs Spiel setzen oder die Rechtmäßigkeit der Besetzung unseres Landes anerkennen. Hamas-Premier Ismail Haniyeh appellierte seinerseits an das Quartett, die autoritäre Politik der Druckausübung einzustellen, die von den USA diktiert würde. Chefunterhändler Saeb Erekat von der abgewählten Fatah sagte, die Hamas-Regierung sei erst sechs Wochen im Amt und müsse eine Chance bekommen. Abbas hatte am Montag seine Bereitschaft zu sofortigen Verhandlungen mit der neuen israelischen Regierung über die Umsetzung des internationalen Friedensfahrplans (Roadmap) erklärt, die einen souveränen und existenzfähigen palästinensischen Staat im Westjordanland und Gaza-Streifen zum Ziel hat.
Im Vordergrund der Quartett-Gespräche steht der drohende finanzielle Kollaps der palästinensischen Selbstverwaltung. Die Europäische Union fordert von Israel die Überweisung der seit dem Hamas-Wahlsieg zurückgehaltenen Zolleinnahmen. Die israelische Regierung hat die in den Oslo-Verträgen geregelten Transfers von Steuer- und Zolleinnahmen an die Palästinenser gestoppt. Die palästinensische Selbstverwaltung hat ihren 160.000 Angestellten seit März keine Gehälter mehr zahlen können. Die USA und die EU machen die Wiederaufnahme der Zahlungen unter anderem von einer Anerkennung Israels durch die Hamas abhängig, was diese bisher ablehnt.
Haniyeh hat am Dienstag zu einem Dringlichkeitstreffen der Führungsspitzen von Hamas und Fatah aufgerufen, um ein Ende der blutigen Zusammenstößen zwischen Anhängern der beiden Organisationen im Gaza-Streifen herbeizuführen. Er habe mit den Führern seiner eigenen Partei und der bei den Parlamentswahlen im Jänner unterlegenen Fatah gesprochen und sie aufgefordert, gegen den wechselseitigen Waffeneinsatz einzuschreiten, erklärte Haniyeh in Gaza. Bei neuen Schießereien sind inzwischen am Dienstag mindestens zehn Menschen verletzt worden, darunter Schulkinder. Zwischen Hamas- und Fatah-Anhängern war es bereits am Vortag zu blutigen Zusammenstößen gekommen. Dabei wurden drei Menschen getötet.
Der Berater für arabische Angelegenheiten im israelischen Sicherheitsministerium, Motti Saken, habe jüngst mit inhaftierten Hamas-Parlamentariern über deren politische Ansichten diskutiert, berichtete die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronoth unter Berufung auf Hamas-Kreise. Saken habe mit mehreren Insassen zweier Gefängnisse – darunter Hamas-Abgeordnete – geredet, um sich ein Bild von ihrer Stimmung machen zu können. Ein Ministeriumssprecher wollte sich auf Anfrage nicht eindeutig zu dem Zeitungsbericht äußern. Er erklärte, Saken habe sich vor etwa zwei Wochen im Rahmen seiner üblichen Tätigkeit mit Sicherheitsgefangenen getroffen. Details wollte der Sprecher nicht nennen. Israel hält etwa ein Dutzend von Hamas-Abgeordneten, die im Jänner gewählt wurden, mit Verweis auf Sicherheitsverstöße gefangen.