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Neuwahl vom Tisch: Regierung einigt sich auf Paket

Erleichterung in Wien: Die Regierung hat sich auf eine Erneuerung ihres Koalitionsabkommens verständigt.
Erleichterung in Wien: Die Regierung hat sich auf eine Erneuerung ihres Koalitionsabkommens verständigt. ©APA/HANS KLAUS TECHT
Vorgezogene Neuwahlen dürften vom Tisch sein. SPÖ und ÖVP haben sich in einem Verhandlungsmarathon auf ein gemeinsames Papier verständigt, das schon am Montag in einem Sonderministerrat verabschiedet werden soll.

Scheitern könnte das Projekt jetzt nur noch in den Parteigremien oder, wenn ein Regierungsmitglied seine Unterschrift unter den Pakt verweigert.

Eigentlich wäre die von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ausgerufene Deadline für eine Neuaufstellung des Regierungsprogramms schon am Freitag ausgelaufen. Doch eine abgesagte Israel-Reise und zwei intensive Verhandlungstage später stieg am Sonntagabend doch noch weißer Rauch am Bundeskanzleramt auf. Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprachen im Anschluss an die heutige achtstündige Unterredung der Chef-Verhandler jeweils von einem “guten Programm”, das man vereinbart habe.

Länder müssen Beitrag leisten

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) versicherte, dass das Paket ausfinanziert sei. Freilich dürften auch die Länder ihren Beitrag leisten müssen. Kern verlangte dies jedenfalls Sonntagabend bereits explizit.

Inhalte wurden nicht kommuniziert, da man den Parteigremien, die am Montag jeweils vormittags tagen, nicht vorgreifen wollte. Jedoch sickerte dann doch so manches durch. So kam am Schluss noch ein Integrationsjahr für Flüchtlinge dazu, ein expliziter Wunsch der SPÖ, nachdem sich (bereits am Vortag) Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) über die Umsetzung einiger von ihm verfolgter Verschärfungen im Fremdenrecht gefreut hatte, etwa mehr Überwachung für “Jihad-Heimkehrer” sowie eine ausgeweitete Video-Überwachung.

Lohnnebenkosten-Senkung

Beiden Seiten Freude machen dürfte die geplante 50-prozentige Lohnnebenkosten-Senkung, die freilich nur für Unternehmen gelten soll, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Was das Streitthema Abschaffung der “kalten Progression” angeht, werden die ersten beiden Tarifstufen nach einer gewissen Zeit automatisch angepasst, der Rest wird quasi nach politischem Gutdünken verteilt. Ein besonders heikler Punkt wurde – nicht zum ersten Mal – an die Sozialpartner ausgelagert. Sie sollen sich um die Arbeitszeitflexibilisierung und einen höheren Mindestlohn kümmern. Immerhin wurde eine Drohkulisse aufgebaut. Bringen Gewerkschaft und Kammern bis Mitte des Jahres nichts zustande, soll gesetzlich eingegriffen werden.

Im Bildungsbereich wird die von der ÖVP seit langem verlangte und nun auch seit Kern von der SPÖ verfolgte Studienplatzfinanzierung mit ausgebauten Zugangsbeschränkungen umgesetzt. Dafür soll die Studienbeihilfe ausgebaut werden. An den Schulen sollen – allerdings erst später, vermutlich 2020 – Gratis-Laptop und Gratis-Tablet einziehen.

Nach deutschem Vorbild sollen nun auch in Spitzenunternehmen der Privatwirtschaft Frauen-Quoten in den Aufsichtsräten etabliert werden. Erhöht werden soll die Forschungsprämie.

Sobotka als “Störenfried”

Dieses Programm bildet nach Meinung Kerns die Schnittmengen zwischen SPÖ und ÖVP gut ab. Insofern kann er sich nicht vorstellen, warum jemand aus der Regierung ein Problem haben sollte, das Arbeitsabkommen zu unterschreiben: “Jeder Einzelne hat zu verstehen, dass wir ein gemeinsames Projekt haben.”

Hier ist der Pferdefuß der Einigung versteckt. Denn Innenminister Sobotka ließ – allerdings vor der Verständigung – Kern via “Kurier” ausrichten, dass sich der Kanzler nicht aussuchen könne, wer was unterschreibe. Schon am Vortag hatte der Innenminister betont, nur sein eigenes Kapitel unterfertigen zu wollen.

Kern: Alle müssen unterschreiben

Allerdings ist für morgen, nach einem Besuch der Regierungsspitze bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der Abstimmung in den jeweiligen Gremien ein Sonderministerrat vorgesehen, bei dem das Arbeitspapier eingebracht wird und auch von allen Regierungsmitgliedern unterschrieben werden soll.

Mitterlehner versuchte dieses Problem Sonntagabend zu umschiffen. Zuerst werde man in die Gremien gehen und dann Schritt für Schritt weiter sehen, meinte der Vizekanzler. Doch Kern will hier sichtlich nicht locker lassen. Weigere sich jemand zu unterschreiben, werde man über “Konsequenzen” reden, meinte der SPÖ-Chef, ohne diese jedoch auszuführen. Damit ist ein Scheitern auf den letzten Metern zwar nicht sonderlich wahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

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