Neuer Wiener Vizepolizeichef fordert verstärkte Zusammenarbeit gegen Jugendkriminalität
"Das Wichtigste für straffällig gewordene Kinder ist, dass sie eine Sanktion erfahren." Das sagte Dieter Csefan, der neue Wiener Landespolizeivizepräsident, im Gespräch mit der APA. Csefan ist seit dem Vorjahr Leiter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Jugendkriminalität (EJK) und Leiter der interministeriellen Arbeitsgruppe Jugendkriminalität: Funktionen, die ihn auf dem neuen Posten weiter begleiten werden. "Ich wurde gebeten, diese Rolle weiterzuführen."
"Vieles, was davor ist, fällt nicht in unsere Zuständigkeit"
Die größte Herausforderung, mit der sich in Wien die Polizei herumschlagen muss, ist derzeit eben die Kinder- und Jugendkriminalität: "Das Thema bleibt mir auch erhalten", sagte Csefan. Dabei ist für ihn klar, dass das Problem allein mit polizeilichen Mitteln nicht in den Griff zu bekommen ist. "Wenn wir kommen, ist es zu spät, weil dann ist eine Straftat passiert. Und vieles, was davor ist, fällt eigentlich nicht in unsere Zuständigkeit", sagte er.
Nicht zuletzt deshalb plädierte der Wiener Spitzenbeamte für eine intensive, regelmäßige und dauerhafte Vernetzung aller Stakeholder in dem Bereich. "Damit, wenn wir ein straffällig gewordenes Kind auf der Straße aufgreifen, es einen Informationsaustausch mit den Stakeholdern gibt. Wenn man dann erkennt, das Kind ist auf der schiefen Bahn und es geht nur mehr bergab, und es könnte hier vom Schwellentäter zum Intensivtäter und dann zum Systemsprenger werden, dann müssen die jeweiligen Organisationen eingreifen und versuchen, die Entwicklung aufzuhalten."
Sanktionen für straffällige Kinder notwendig
Das Thema wurde im Vorjahr im Zuge der Nationalratswahlen auch ein Politikum, denn es gab Forderungen nach einer Herabsetzung der Strafmündigkeit auf zwölf Jahre. Was Csefan skeptisch sieht, aber die Expertengruppe habe ein Ergebnis erhalten: "Das Wichtigste ist, dass Kinder, die ein strafbares Verhalten setzen, eine Sanktion erfahren. Wie die aussieht, muss man sich im Detail überlegen. Es ist ja auch so, dass straffällig gewordene Kinder in Ländern, wo die Strafmündigkeit herabgesetzt ist oder wie bei uns unter 14 Jahren liegt, in Wirklichkeit auch nicht in ein Gefängnis kommen, sondern in eine Einrichtung."
Justizministerium prüft mögliche Einrichtung
Derzeit gebe es im Justizministerium ein Projekt, bei dem man sich die Ausgestaltung ansehe, wie eine Unterbringung mit Ausgangsbeschränkungen für diese straffällig gewordenen Kinder möglich werden könne. "Das heißt, sie kommen in eine Einrichtung, die zwar kein Gefängnis ist, die sie aber nicht verlassen dürfen, und werden dort betreut und behandelt. Sie bekommen einen Psychiater, eine Psychologin, einen Sozialarbeiter, was immer notwendig ist, und dürfen dort nicht hinaus", schilderte Csefan die Idee dahinter.
Zu klären ist dem Wiener Landespolizeivizepräsidenten zufolge auch noch, für wie viele Kinder solche Einrichtungen überhaupt geplant werden müssten. "Die verübten Straftaten müssten natürlich eine gewisse Schwere haben, und das Kind müsste auch eine gewisse Anzahl von Straftaten verübt haben. Nach einem Ladendiebstahl wird keiner untergebracht werden. Aber so wie wir es bei den Intensivtätern haben, die mehr als 50 Straftaten im Monat begehen und die Polizei auslachen, wenn wir hinkommen, genau für so was wäre das", erläuterte Csefan. Offen sei auch noch die Frage nach der gesetzlichen Basis - wer etwa den Beschluss zur Einweisung in eine solche Einrichtung fassen sollte. Im Gespräch sind hier die Pflegschaftsgerichte.
Das Danach ist bei straffälligen Kindern entscheidend
Und letztlich geht es auch um die faktische Ausgestaltung: "Nur einmal ins Blaue gedacht: Wenn sie in einer Örtlichkeit untergebracht werden, wo es rundherum nichts gibt, wo sie gar nirgends weg können, dann braucht man sie gar nicht 'einsperren'. Das ist aber nur eine Möglichkeit, die man sich überlegt und im internationalen Vergleich angeschaut hat. So etwas wird ja auch gemacht, indem straffällig gewordene Kinder von der Justiz auf ein Schiff vergattert werden. Und die fahren dann drei Monate oder sechs Monate mit dem Schiff herum. Da haben aber die Erfahrungswerte gezeigt, dass sich nach den drei oder sechs Monaten nichts geändert hat, außer dass sie drei Monate weg waren oder sechs. Die kommen in denselben Freundeskreis zurück", berichtete Csefan.
Csefan betonte, dass die Unterbringung in solchen Einrichtungen die zweite Eskalationsstufe wäre. Die erste wäre eben die Vernetzung: dass sich die Stakeholder wie die Kinder- und Jugendhilfe, Vertreter der Polizei und Betreuerinnen bzw. Betreuer mit dem Kind zusammensetzen, ihm die Folgen seines Handelns klar machen und ihm, verbunden mit Auflagen, Möglichkeiten wie zum Beispiel ein Anti-Gewalttraining oder eine Drogentherapie "oder was immer es benötigt" vereinbaren.
Keine Auffälligkeiten bei Nationalität, sondern in der Erziehung
"Ich werde oft gefragt, ob die straffällig gewordenen Kinder von einer bestimmten Nationalität oder einer bestimmten Nation sind. Ich habe mir das angeschaut: Nein, sind sie nicht. Der gemeinsame Nenner, den sie haben, ist, dass die meisten von ihnen fremduntergebracht sind. Sie haben kein intaktes Elternhaus, meistens kümmern sich die Eltern gar nicht oder oft wissen sie es nicht, weil es sie nicht interessiert", schilderte Csefan. "Was die Nationalitäten betrifft: Auf Platz eins haben wir noch immer die Österreicher - oft Kinder mit Migrationshintergrund -, wir sehen aber einen Anstieg an syrischen straffälligen Kindern und Platz drei sind afghanische Staatsangehörige."
Die Häufigkeit, mit der fremduntergebrachte Kids auf die schiefe Bahn geraten, dürfte auch zu einer Novelle des Heimaufenthaltsgesetzes führen. "Weil die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter verunsichert sind und keine Handlungssicherheit haben, ob sie Kinder - wenn etwa das zwölfjährige Mädchen um zwei Uhr in der Früh aus der Unterkunft geht - im Zimmer einsperren können oder nicht. Als Elternteil wird man das zwölfjährige Mädchen auch nicht um 2.00 Uhr in der Früh draußen herumgehen lassen", erläuterte Csefan. "Deshalb gehört das geregelt und es steht auch im Regierungsprogramm, dass man da nachschärft. Das dient der Handlungssicherheit, dass sie die Einrichtung auch wirklich versperren dürfen, damit die Kinder in der Unterkunft bleiben, auch zu ihrem Schutz selbst."
(Das Gespräch führte Gunther Lichtenhofer/APA.)
(APA/Red)