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Neuer Anlauf zu Nahost-Friedensprozess

Ende nächster Woche wird wahrscheinlich ein Dreiergipfel zwischen Bush-Sharon-Abbas in Jordanien stattfinden. Arafat empfindet „große Genugtuung“ über den Fahrplan.

Der Nahost-Gipfel von US-Präsident George W. Bush mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas (Abu Mazen) wird nach den Worten des israelischen Außenministers Silvan Shalom wahrscheinlich Ende nächster Woche in Jordanien stattfinden. Noch vor Donnerstag sollen Sharon und Abbas zusammentreffen, wie das Büro des israelischen Regierungschefs am Montag in Jerusalem mitteilte; ein palästinensischer Sprecher nannte Dienstag als möglichen Termin. Das israelische Kabinett hatte am Vortag nach stundenlanger Debatte mit hauchdünner Mehrheit und unter Vorbehalten den internationalen Friedens-Fahrplan (Roadmap) für den Nahen Osten angenommen. Voraussetzung dafür war die Zusage der USA, die israelischen Einwände zu berücksichtigen.

„In Jordanien, so sieht es jetzt aus, wird Präsident Bush mit Ministerpräsident Sharon, Ministerpräsident Abbas und vielleicht auch einigen anderen zusammenkommen“, sagte Shalom am Montag auf Kreta. In der Nähe von Heraklion nimmt Shalom ebenso wie sein palästinensischer Kollege Nabil Shaath am so genannten Euromed-Treffen der Außenminister der Europäischen Union und der Mittelmeeranrainer teil. Das Gipfeltreffen werde auf keinen Fall in Ägypten stattfinden, hatte zuvor ein ranghoher israelischer Regierungsvertreter erklärt. Kairo nehme trotz des 1979 geschlossenen Separatfriedens eine „feindliche Haltung“ gegenüber Israel ein und führe in den arabischen Ländern eine „Kampagne“ zum Boykott israelischer Waren. Möglich sei ein Treffen in der jordanischen Hafenstadt Akaba, meldete der israelische Rundfunk.

Die Palästinenser hätten mit „großer Genugtuung“ die grundsätzliche Zustimmung der israelischen Regierung zum Fahrplan zur Kenntnis genommen, erklärte Präsident Yasser Arafat am Montag nach einer Unterredung mit dem französischen Außenminister Dominique de Villepin in Ramallah. Allerdings blieben „viele Fragezeichen“ nach den vielen israelischen Einwänden. Es sei zu befürchten, dass diese Vorbehalte die Verwirklichung des Planes verhindern, der bis 2005 zu einem unabhängigen palästinensischen Staat führen soll und Israel zu einem Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten verpflichtet.

Abbas hatte am Sonntagabend bekräftigt, dass seine Regierung keine Änderungen des Fahrplans hinnehmen werde. Der Plan müsse vollinhaltlich und ohne Abstriche und Einschränkungen angenommen werden, sagte er dem israelischen Rundfunk. Auch die Palästinenser hätten den Plan trotz Bedenken akzeptiert, um den Friedensprozess voranzubringen. Der vom israelischen Kabinett am Sonntag gefasste Beschluss, den palästinensischen Flüchtlingen von 1948 und deren Nachkommen das Recht auf Rückkehr zu verweigern, greift den im Fahrplan vorgesehen israelisch-palästinensischen Verhandlungen vor.

Israel wird nach den Worten Sharons „auf keinen Fall die 14 Einwände“ gegen den Fahrplan aufgeben, „die für uns rote (nicht zu überschreitende) Linien darstellen“. Nur zwölf der 23 Minister votierten für den Plan, den die USA, die EU, Russland und die Vereinten Nationen gemeinsam entwickelt haben. Sieben Minister stimmten gegen das Konzept, vier enthielten sich.

Die grundsätzliche Zustimmung des israelischen Kabinetts zum Nahost-Fahrplan unter Vorbehalten ist auf heftige Kritik bei radikalen Siedlern in den besetzten Gebieten gestoßen. Der frühere Siedlerführer Eliakim Haezni nannte die Billigung des Plans im israelischen Rundfunk einen „Akt des nationalen Verrats“. „Die Juden sind (unter der Naziherrschaft) auch freiwillig in die Transportzüge eingestiegen und haben alles geglaubt, was die Deutschen gesagt haben“, sagte Haezni. Überall in Israel protestierten rechtsgerichtete Demonstranten am Montag gegen die Entscheidung der Regierung.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, erklärte, das Schicksal des Nahen Ostens liege nun in den Händen der USA: „Alles hängt davon ab, ob Washington es fertig bringt, die ersten Schritte des Friedensplanes einzuleiten“, sagte er in Heraklion. Israelische Beobachter sind sich nicht einig, ob hinter der Kabinettsentscheidung vom Sonntag politisches Kalkül oder die tatsächliche Bereitschaft zu Zugeständnissen steckt. Mit der Formulierung, die im Fahrplan definierten Schritte zu akzeptieren, könnte Israel sich vorbehalten, erst nach einem Gewaltstopp palästinensischer Extremisten mit dem Siedlungsstopp zu beginnen. Der Plan verlangt dagegen parallele Schritte von beiden Konfliktseiten.

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