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Neuer Anlauf für gemeinsame EU-Asylpolitik

Die EU-Staaten streiten seit Jahren um gemeinsame Asylpolitik.
Die EU-Staaten streiten seit Jahren um gemeinsame Asylpolitik. ©Photo by /MANOLIS LAGOUTARIS / AFP (Symbolbild)
Die EU-Staaten versuchen erneut sich auf eine gemeinsame Asylpolitik zu einigen. Vor allem die Verteilung der Asylsuchenden in Europa erweist sich immer wieder als Knackpunkt bei den Verhandlungen.

Die EU-Staaten streiten bereits seit Jahren über eine gemeinsame Migrationspolitik. Versuche, Europas Asylsystem zu reformieren, scheiterten immer wieder. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft versucht nun bei einem Treffen der EU-Innenminister und einem EU-Sondergipfel den Grundstein für eine Einigung noch vor den Europawahlen 2024 zu legen.

Wie viele Menschen haben zuletzt Asyl in Europa beantragt?

Im Jahr 2022 wurden laut EU-Kommission in der EU fast 924.000 Asylanträge (Erst- und Folgeanträge) gestellt, ein Plus von 46,5 Prozent gegenüber 2021. Die meisten Asylantragsteller stammten demnach aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Im Jahr 2021 verzeichnete die EU insgesamt rund 630.000 Anträge.

In den Jahren 2016 und 2015 hatte die Zahl der Schutzsuchenden der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge mit jeweils rund 1,3 Mio. Anträgen einen Höchststand erreicht. In den Folgejahren sank die Zahl der Asylbewerber kontinuierlich. Dass sie 2021 wieder anstieg, war nach Einschätzung von Experten auch auf Nachholeffekte als Folge der strengen Reisebeschränkungen in der Corona-Pandemie 2020 zurückzuführen.

Welche Länder sind besonders betroffen?

Auf fünf Mitgliedsländer entfielen beinahe drei Viertel aller Asylanträge 2021 in der EU: Deutschland (30 Prozent), Frankreich (19,1 Prozent), Spanien (10,4 Prozent), Italien (8,4 Prozent) und Österreich (6,1 Prozent). Gemessen an der Bevölkerung wurden 2021 in Zypern mit 1.480 pro 100.000 Einwohner die meisten Erstanträge gestellt, gefolgt von Österreich (432) und Slowenien (247). Konkrete Zahlen zu 2022 wurden noch nicht offiziell veröffentlicht.

Welche Reformen des europäischen Asylsystems liegen derzeit auf dem Tisch?

Seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise hat die EU-Kommission mehrere Reformen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) angestoßen. Zuletzt brachte die EU-Kommission von Ursula von der Leyen 2020 unter dem Titel neuer Asyl- und Migrationspakt ihre Pläne ein, sodass mittlerweile insgesamt neun Gesetzesvorschläge auf dem Tisch liegen. Davon wurde mit der Einrichtung der EU-ASYLBEHÖRDE (EUAA) einer umgesetzt.

Knackpunkt ist vor allem die Frage der VERTEILUNG DER ASYLSUCHENDEN innerhalb der Europäischen Union. Während Staaten wie Polen, Ungarn oder Österreich eine verpflichtende Quote strikt ablehnen, fordern südliche Länder wie Italien und Griechenland, in denen viele Migranten ankommen, seit Jahren mehr Unterstützung.

Der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen wie bei hohen Ankunftszahlen zur "Solidarität" mit den Ankunftsländern verpflichtet werden - sei es über die Flüchtlingsaufnahme oder über Hilfe bei Abschiebungen von Menschen ohne Bleiberecht. Einige Länder, darunter auch Österreich, erteilten diesem Vorschlag bereits eine Absage.

An den derzeit gültigen DUBLIN-REGELN hält die EU-Kommission grundsätzlich fest - passt sie aber an. Heute ist meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat.

Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass andere Kriterien ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Wer in einem anderen Staat etwa Geschwister hat, dort früher schon mal studiert oder gearbeitet hat, soll dorthin kommen. Gleiches gilt, wenn ein Asylbewerber zuvor legal mit einem Visum in ein EU-Land gereist ist.

Beratungen der EU-Staaten gibt es derzeit zu den GEMEINSAMEN ASYLVERFAHREN, wodurch unter anderem die unterschiedlichen Verfahren der Länder durch ein einfacheres Prozedere ersetzt werden sollen. Auf eine gemeinsame Position konnten sich die Mitgliedsländer zur FINGERABDRUCK-DATENBANK Eurodac und zu SCREENING-VERFAHREN an den EU-Außengrenzen, mit dem rasch korrekte Verfahren für illegal eingereiste Personen gewährleistet werden sollen, einigen, hier stehen nun Verhandlungen mit dem EU-Parlament an.

Mit dem EU-Parlament bereits in Verhandlung getreten sind die EU-Staaten zu den EINHEITLICHEN VORSCHRIFTEN ZU ASYLANTRÄGEN, mit denen unter anderem gleiche Kriterien für die Ermittlung der Personen bestimmt werden sollen. Ebenfalls in diesem Stadium befinden sich die Gespräche über EINHEITLICHE AUFNAHMEBEDINGUNGEN in den Mitgliedsländern, wodurch vor allem Sekundärmigration verhindert werden soll, sowie über einen NEUEN NEUANSIEDLUNGSRAHMEN. Dieser sieht unter anderem sichere und legale Wege in die EU vor. Nach einer Einigung zwischen EU-Staaten und EU-Parlament können die Gesetze in Kraft treten.

Was für eine Position nimmt Österreich ein?

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) forderte zuletzt von der EU-Kommission fünf Maßnahmen: erstens ein Pilotprojekt für Asylverfahren in einem EU-Land an der EU-Außengrenze, zweitens eine "Zurückweisungsrichtlinie", mit der Einzelfallprüfungen nicht mehr erforderlich wären, drittens Asylverfahren in sicheren Drittstaaten, viertens die leichtere Aberkennung des Schutzstatus nach der Verfahrensrichtlinie auch bei nicht-schweren Straftaten und fünftens mehr Unterstützung von EU-Staaten für Frontex an der EU-Außengrenze und in Drittstaaten.

Wie geht es weiter?

Die schwedische Ratspräsidentschaft strebt in den kommenden Monaten Fortschritte bei der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik an. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine vernünftige Basisarbeit leisten können", sagte zuletzt der schwedische EU-Botschafter Lars Danielsson in Brüssel. Dabei soll der Schwerpunkt zunächst auf den Beziehungen mit Drittstaaten - also Herkunfts- oder Transitländern - liegen.

Diesen Donnerstag findet dazu ein informelles Treffen der EU-Innenminister in Schweden statt, am 9. und 10. Februar ein EU-Sondergipfel in Brüssel. Eine Einigung auf den Asyl- und Migrationspakt soll noch vor den Europawahlen 2024 erzielt werden, also spätestens im Frühling unter belgischer EU-Rastpräsidentschaft.

(APA/Red)

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