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Neue Hinweise auf El-Kaida-Beteiligung

Die Hinweise auf eine Urheberschaft islamischer Terroristen für die Bombenanschläge in Madrid haben sich am Samstag verdichtet. Der spanische Geheimdienst hält Islamisten für die Täter.

Eine norwegische Tageszeitung berichtete am Samstag von einer arabischen Webseite, auf der Spanien wegen der Parlamentswahl am Sonntag schon vor einem Jahr als geeignetes Ziel für Anschläge genannt worden war. Die Ermittlungen in Spanien konzentrieren sich Polizeiangaben zufolge auf einen Lieferwagen, in dem am Donnerstagabend ein Tonband mit Koran-Versen gefunden wurde.

Wie ein ranghoher Polizeibeamter mitteilte, legt ein Augenzeugenbericht nahe, dass die bei den Anschlägen verwendeten Sprengsätze in dem Fahrzeug transportiert wurden. Der Zeuge habe beobachtet, wie drei maskierte junge Männer aus dem Lieferwagen ausstiegen und Rucksäcke zum Bahnhof des Vororts Alcala de Henares trugen, sagte der Beamte der Nachrichtenagentur AP. An diesem Bahnhof hatten alle Züge, in denen am Donnerstag Bomben explodierten, gehalten.

Die norwegische Zeitung „VG” zitierte am Samstag aus einem Dokument, das norwegische Terrorexperten im Internet entdeckt hatten: „Wir müssen den größten Nutzen aus der Nähe des Wahltermins in Spanien im kommenden März ziehen”, heißt es in dem Text. „Spanien hält maximal zwei oder drei Anschläge aus, bevor es sich aus Irak zurückzieht.”

Thomas Hegghammer vom staatlichen Norwegischen Forschungszentrum für Verteidigung sagte der Zeitung, die Wissenschaftler hätten bisher vermutet, in dem vor einem Jahr veröffentlichten Text gehe es um geplante Attacken gegen Koalitionsstreitkräfte im Irak. „Aber die Hervorhebung der Wahl in Spanien lässt die Angaben angesichts der Anschläge in Madrid in einem neuen Licht erscheinen.”

Der Spitzenkandidat der regierenden Konservativen hatte in einem am Samstag veröffentlichten Zeitungsinterview erneut die ETA für die Terroranschläge verantwortlich gemacht. „Ich verfüge über Fakten, die mich glauben machen, dass es die ETA war”, sagte Mariano Rajoy der Tageszeitung „El Mundo”. Die baskische Separatistenorganisation hatte am Freitag laut einem Zeitungsbericht eine Verantwortung für die Anschlagsserie zurückgewiesen.

Die Regierung des spanischen Baskenlands hat dagegen eine Täterschaft der baskischen Untergrundbewegung ETA bezweifelt. Er halte das ETA-Dementi vom Vortag für „glaubwürdig”, sagte der Sprecher der gemäßigt nationalistischen Regionalregierung am Samstag vor Journalisten in San Sebastian. Nach seinen Worten deuten viele Indizien auf einen islamistischen Hintergrund der Anschläge hin.

Die Diskussion über die Hintergründe der Anschläge könnte nach Ansicht von Beobachtern den Ausgang der Wahl am Sonntag beeinflussen. Wenn die Wähler wie die Regierung die ETA für den Terror verantwortlich machen, könnte dies Rajoy, dem Kronprinzen von Ministerpräsident Jose Maria Aznar, den Rücken stärken. Die Konservativen stehen für ein kompromissloses Vorgehen gegen die baskische Separatistenorganisation. Schenkt die Bevölkerung dagegen den Hinweisen auf eine Urheberschaft islamischer Terroristen mehr Glauben, so könnte dies die Empörung über Aznars Irak-Politik neu entfachen und den Sozialisten Wähler zuführen.

Die Zahl der Anschlagsopfer erhöhte sich unterdessen auf 200. In einem Madrider Krankenhaus sei ein weiterer Mann gestorben, meldete die Nachrichtenagentur EFE unter Berufung auf die Regionalregierung der spanischen Hauptstadt. Die ersten Opfer wurden am Samstag beigesetzt.

Autopsien von Opfern der Terroranschläge haben unterdessen keine Hinweise erbracht, dass Selbstmordattentäter das Blutbad verursacht haben könnten. Dies teilte der spanische Innenminister Angel Acebes am Samstag mit. Seine Angaben könnten die Vermutung der Regierung stützen, dass die Anschläge auf Pendlerzüge von der ETA verübt wurden und nicht von islamischen Terroristen aus dem Umfeld des Terrornetzwerkes El Kaida. Anders als die ETA hat El Kaida in der Vergangenheit zahlreiche Anschläge mit Selbstmordattentätern verübt.

Am Freitagabend waren aus Protest gegen Terror und Gewalt elf Millionen Spanier auf die Straße gegangen, allein in Madrid versammelten sich bei strömendem Regen 2,3 Millionen Demonstranten. „Es regnet nicht. Madrid weint”, sagte der 20-jährige Jorge Mendez. Die mehrere Kilometer lange Demonstration führten Ministerpräsident Jose Maria Aznar sowie Mitglieder des Königshauses an.

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