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Neue Debatte über türkischen EU-Beitritt

Deutschland und Großbritannien erklärten am Freitag, sie wollten auch nach den Attacken den EU-Beitritt des Landes vorantreiben.

Ähnlich äußerte sich auch EU-Währungskommissar Pedro Solbes. Der britische Außenminister sagte in Istanbul, die Anschläge würden „unser aller Entschlossenheit stärken, die Türkei als ein Vollmitglied in der EU zu sehen“. Dagegen warnte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Union in Deutschland, Wolfgang Bosbach (CDU) davor, eine Mitgliedschaft des islamischen Landes könnte den Terror in die Gemeinschaft tragen.

EU-Währungskommissar Solbes sagte: „Wir müssen unsere Anstrengungen beibehalten oder sogar noch verstärken, damit die Türkei die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllen kann.“ Ein Sprecher von EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen sagte, es gebe keine Pläne, den Beitrittsfahrplan für die Türkei zu ändern. Es sei aber noch zu früh, um sagen zu können, wie sich die Anschläge auf den Reformprozess in der Türkei auswirkten.

Die deutsche Bundesregierung wies die Äußerung von Bosbach als „fahrlässig“ zurück. „Wir sind der Meinung, dass es gerade die Perspektive Europa ist, die zu einer weiteren Demokratisierung und Stabilisierung beitragen kann“, sagte der deutsche Regierungssprecher Thomas Steg. Der Union warf Steg vor, den Terror in der Türkei für ihre ablehnende Haltung zum EU-Beitritt des islamischen Landes zu instrumentalisieren. Bei den Selbstmordanschlägen am Donnerstag in Istanbul waren mindestens 27 Menschen getötet und über 400 verletzt worden.

Die oppositionelle Union wendet sich schon seit längerem gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Bosbach erklärte, die Chancen für einen Beitritt der Türkei hätten sich durch die Attacken verschlechtert:
„Mit einem schnellen EU-Beitritt würde das Terror-Problem in die Gemeinschaft importiert.“ CDU-Außenpolitik-Experte Wolfgang Schäuble machte sich die Äußerung Bobachs nicht zu eigen. Er sagte, die Union habe zwar begründete Vorbehalte gegen eine Mitgliedschaft der Türkei. Dies müsse aber getrennt von den Anschlägen gesehen werden. „Wir sind alle miteinander potenzielle Opfer dieses internationalen Terrorismus“, sagte er dem Inforadio Berlin-Brandenburg.

Die türkische Regierung wünscht sich einen schnellen Beitritt des Landes zur Europäischen Union. Ende 2004 soll die EU entscheiden, ob Verhandlungen darüber aufgenommen werden. Bereits am Donnerstag hatte der türkische Botschafter in London, Akin Alpatuna, gesagt, die Anschläge würden die Notwendigkeit einer größeren Kooperation zwischen der Türkei, Großbritannien und den USA im Kampf gegen Terrorismus aufzeigen und die Entschlossenheit der Türkei zu einem Beitritt zur EU stärken.

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