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Netrebko glänzt in Staatsopern-Carmen

Massimo Giordano als Don Jose und Anna Netrebko in der Rolle der Micaela in "Carmen"
Massimo Giordano als Don Jose und Anna Netrebko in der Rolle der Micaela in "Carmen" ©APA
Mit einer Glanzleistung von Dirigent Andis Nelsons und einer überragenden Anna Netrebko punktete die musikalische Neuinszenierung von Georges Bizets "Carmen" an der Wiener Staatsoper.

Zuerst Rolando Villazon, dann Mariss Jansons und Elina Garanca – die musikalische Neuinszenierung von Georges Bizets “Carmen” an der Staatsoper war geprägt von Absagen und Ausfällen. Dass bei der ersten Vorstellung Montagabend dann doch (fast) alles gut wurde, muss man zwei Namen zuschreiben: Dem jungen lettischen Dirigenten und Jansons-Schüler Andris Nelsons, der den Abend als Orchesterfest gestaltete sowie einer überragenden Anna Netrebko als Micaela. Nadia Krasteva in der Titelrolle und “Ersatz” für Garanca schlug sich wacker – wenn auch nicht überragend. Am Schluss blieb erlösender Jubel.

Es hätte wohl keinen besseren Einspringer für Jansons geben können als dessen Schüler Nelsons. Nachdem der Altmeister aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustands absagen musste, sprang der lettische Shooting Star ein, der Pult und Musiker schon durch seinen körperlichen Einsatz in musikalische Geiselhaft nahm. Mit impulsiver aber eleganter Gestik lenkte er das Orchester, das sich an diesem Abend auf Philharmoniker-Niveau bewegte, durch die vier Akte und demonstrierte unendlichen musikalischen Gestaltungswillen: Stilvoll, plastisch, elegant und feurig zugleich, fordernd aber nicht hetzend. Die Vorspiele könnten zu Referenzaufnahmen werden. Nelsons hinterließ mit der Neuausrichtung dieser Oper eine Visitenkarte in Wien, die man schnell wieder hervorkramen sollte.

Als “die richtigere Carmen” hatte Staatsopern-Direktor Ioan Holender seinen Schützling Krasteva bezeichnet, “Carmen ist kein Kätzchen, sondern ein Panther”, drohte die Mezzosopranistin selbst an, was die gebürtige Bulgarin auch verwirklichte: Krallen, Temperament und lasziver Tanz beherrschten Franco Zeffirellis naturalistische aber fantasievolle Bühne von 1978. Krasteva, die viel “Carmen”-Erfahrung hat, kippte allerdings vorwiegend leidenschaftlich ins Klischee. Der männerverschlingende Panther wurde zudem mit dunklem Timbre ausgestattet, alles zur Zufriedenheit des Publikums, das den Einsatz honorierte.

Kurz, aber alles hinter sich lassend, trat Netrebko auf. Mit Zöpfchen und Körbchen zeigte die Unschuld vom Lande, wie man (ohne böse Absicht) das restliche Ensemble hinter sich lässt. Nahtlose Glissandi, tränentreibendes Sentiment und lyrische Gestaltungskraft nahe an der Perfektion. Etwas hölzern wenn auch solide und technisch einwandfrei dagegen ihr Don Jose, gesungen von Massimo Giordano. Noch mehr fiel Ildebrando D’Arcangelo ab. Sein rhythmisch unsicherer und schwachbrüstiger Torero Escamillo könnte keine lahmende Milchkuh bezwingen, was auch mit einem höhnischen “Buh” kommentiert wurde. Nebenrollen-Profi Adrian Eröd als Sergeant im ersten Akt war leider wieder einmal viel zu kurz zu hören.

Die musikalisch neuaufgelegte Staatsopern-“Carmen” beweist, dass es keiner medial gehypten Stars braucht, um gute bis herausragende Qualität zu liefern. Ein Schelm, wer denkt, Netrebko wäre das…

Weitere Termine: 6., 9., 12. und 15. Mai, jeweils um 19 Uhr. http://www.staatsoper.at

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