Die Macht solle von heute an dem Volk zurück gegeben werden, sagte der Monarch am Freitag in einer vom staatlichen Rundfunk und Fernsehen übertragenen Ansprache. Die Allianz aus sieben Oppositionsparteien forderte der 58-Jährige auf, ehest einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs vorzuschlagen. Der Nepalesische Kongress, die größte Partei des Landes, erklärte umgehend, das Angebot des Königs reiche nicht aus; die Proteste würden weiter gehen.
Wir sind der Mehrparteien-Demokratie und der konstitutionellen Monarchie verpflichtet, schloss Gyanendra eine Verfassungsänderung, die sein Befugnisse einschränkt, in seiner fünfminütigen Rede an die Nation indirekt aus. Dies ist eine zentrale Forderung der Opposition. Zudem sprach sich der König dafür aus, so bald wie möglich Parlamentswahlen abzuhalten. Einen Termin dafür nannte er nicht.
Der König hat nicht Bezug auf den Fahrplan der Protestbewegung genommen, sagte Krishna Prasad Sitaula, ein Sprecher der Kongress-Partei. Auch andere Oppositionspolitiker der Sieben-Parteien-Allianz (SPA) bezeichneten die Ankündigung Gyanendras in ersten Reaktionen als unzureichend.
Die Europäische Union begrüßte die Ankündigung des Königs. Ein Sprecher der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft erklärte: Wir hoffen, dass dies den Weg zu einem friedlichen Prozess in Nepal öffnet und zu einer Situation einer erneuerten Stabilität und des Dialoges. Kurz vor der Ansprache hatte der Ratsvorsitz die Schüsse auf die Demonstranten in Nepal mit scharfer Munition, die einen dramatischen Wendepunkt in der Krise darstellten, sowie die übermäßige Gewalt in einer Aussendung verurteilt.
Das Oppositionsbündnis hatte in den vergangenen Wochen mit einem Generalstreik und Massenprotesten den Druck auf den König verstärkt. Seither wurden mehr als ein Dutzend Menschen von Sicherheitskräften getötet. Hunderte wurden verletzt, Tausende festgenommen.
Auch am Freitag beteiligten sich zwischen 10.000 und 20.000 Menschen trotz Ausgangssperre an einem Protestmarsch über die Ringstraße der Hauptstadt Kathmandu, wie Reporter berichteten. Ein Mitarbeiter der nepalesischen Menschenrechtsgruppe INSEC sprach von mehr als 100.000 Teilnehmern. Der Protestzug war etwa acht Kilometer lang.
Die größte Kundgebung fand im Westen von Kathmandu statt, der außerhalb eines Sperrgebietes liegt. Aber auch innerhalb des Sperrgebietes gingen tausende Menschen auf die Straße und machten ihrem Unmut Luft. Die Sicherheitskräfte schritten nicht ein. Am Vortag hatte die Polizei drei Kundgebungsteilnehmer erschossen.
Am Donnerstag hatte ein Sondergesandter des indischen Premierministers Manmohan Singh einen wirklichen Dialog zwischen den verschiedenen politischen Kräften in Nepal verlangt. Ziel müsse die Schaffung einer Mehr-Parteien-Demokratie sein, sagte Karan Singh nach einem Gespräch mit König Gyanendra in Kathmandu.
Gyanendra hatte im Februar vergangenen Jahres den Ausnahmezustand verhängt, die Regierung entlassen und selbst die Macht übernommen, nachdem er bereits im Mai 2002 das Parlament aufgelöst hatte. Die Oppositionsparteien schaltete er seitdem weitgehend aus, die Medien wurden zensiert. Erklärtes Ziel Gyanendras war es, den 1996 begonnenen Aufstand maoistischer Rebellen, die für eine Landreform zu Gunsten der landlosen Bauern kämpfen, niederzuschlagen. Im November hatten sich die maoistischen Rebellen auf eine Zusammenarbeit mit der SPA geeinigt.