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Nepal: Schwere Unruhen nach Morden im Irak

Aus Wut und Empörung über die Ermordung von zwölf nepalesischen Geiseln im Irak haben mehrere tausend Menschen in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu eine Moschee geplündert. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Die Randalierer schlagen die Halbmonde von den Minaretten, sie tragen den Koran aus der Moschee heraus und werfen das Heilige Buch in die Flammen. Die Umstehenden jubeln. Dass manch einer zugleich weint, hängt nur mit dem Tränengas zusammen – wenige Meter weiter liefern sich Polizisten und Demonstranten Straßenschlachten.

Es sind die schwersten Unruhen seit Einführung der Demokratie im mehrheitlich hinduistischen Nepal 1990. Ihr Auslöser ist die Ermordung von zwölf Nepalesen im Irak. Doch am Mittwoch entlädt sich nicht nur ein im Touristenziel Kathmandu noch nie da gewesener Hass auf Moslems. In der Gewalt zeigt sich auch die Unfriedenheit mit Regierung und König.

„Ich bin angewidert“, sagt Fehmyu Hussain. Dass seine Eltern aus Pakistan stammen und er ein Moslem ist, flüstert der Engländer angesichts der nahen Randalierer lieber. „Sie haben den Koran zerfetzt und verbrannt, sie haben ein moslemisches Restaurant abgefackelt und dabei „Tötet die Moslems“ gebrüllt“, sagt der 27- Jährige. „Sie sind ein Haufen Barbaren – genau wie im Irak.“ Anders als Hussain befolgen die meisten Touristen die Anweisung, in ihren Hotels zu bleiben. Doch auch dort ist die Stimmung schlecht.

Im Yak and Yeti, einem der großen Hotels der Hauptstadt, sitzen verunsicherte Reisegruppen. Der Verkehr ist zum Erliegen gekommen, auf der Straße zum Flughafen brennen Autowracks. „Es ist viel gefährlicher als früher“, sagt Sonia Aguado, die Tourführerin einer spanischen Gruppe war schon oft in Nepal. Der Hotelmanager versucht, Bedenken zu zerstreuen. Im Hotel könne man Sicherheit garantieren, sagt Biswajit Chakraborty. Im selben Moment springen Demonstranten auf der Flucht vor der Polizei über den Zaun das Hotelgeländes und rennen durch die Gäste in der Lobby. „Ruhig bleiben“, raunt eine erschreckte ältere Touristin ihren Begleiterinnen zu.

Bis dahin hat der Mob schon etliche Ziele angegriffen, von denen er annahm, sie stünden mit Moslems oder Arabern auch nur vage in Verbindung. Vor brennenden Büros stehen fassungslose Angestellte, sie weinen vor Verzweiflung. Die schlecht ausgerüsteten Polizisten feuern eine Tränengasgranate nach der anderen auf die Demonstranten, die diese sofort zurückwerfen. Die Polizisten werfen mangels anderer Mittel die Ziegelsteine der Randalierer auf diese zurück.

Die Demonstranten kritisieren, die Regierung habe nicht genug zur Freilassung der Geiseln unternommen. Landeskenner meinen aber, in der Gewalt entlade sich allgemeiner Unmut über Regierung und König. Ihnen gelingt es nicht, den Bürgerkrieg mit den Maoisten zu beenden. Das Land ist bitter arm, die Verwaltung korrupt, die Parteien sind in Machtkämpfe verwickelt. Um die Menschen kümmert sich niemand. „In den Leuten gärt es“, sagt ein Entwicklungshelfer. Und ein Nepalese meint: „Unsere Regierung ist nutzlos, und der König ebenso.“

Gegen Mittag sieht die Regierung ein, dass sie der Gewalt nicht Herr wird, und verhängt eine Ausgangssperre über Kathmandu – zum ersten Mal seit dem Massaker im Königspalast im Juni 2001. Die Armee fährt auf, und Ruhe kehrt ein. Dass diese Ruhe trügerisch ist, daran hat kaum jemand Zweifel.

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