Nehammer verhandelt bei Staatsbesuch in Marokko über Asylabkommen

Als erster österreichischer Bundeskanzler ist Karl Nehammer (ÖVP) am Montag nach Marokko gereist. Anlass ist der 240. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Wien und dem nordafrikanischen Land. Bei den Gesprächen mit dem marokkanischen Premierminister Aziz Akhannouch hat Nehammer eine Kooperation im Bereich Kampf gegen Schlepper und rasche Rückführungen vereinbart.
Nehammer will bei Marokko-Staatsbesuch Kampf gegen illegale Migration besprechen
"Die Asylzahlen zeigen klar: Es gibt eine gefährliche Vermischung von Asyl und Migration aus sicheren Herkunftsländern wie Marokko. Wir müssen daher die Asylbremse weiter anziehen und beim Thema Rückführungen mehr Tempo machen", sagte der Kanzler nach Angaben seiner Sprecherin in Marokko. Konsequente Asylpolitik müsse auch durch Abschiebung von negativ beschiedenen Asylwerbern durchgesetzt werden.
Österreich und Marokko wollen bei Rückführungen kooperieren
"Wir müssen weiter auf die Asylbremse steigen, indem wir den Asylmissbrauch bekämpfen", sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der Nehammer nach Marokko begleitete, gemäß einer Aussendung. "Dazu ist auch eine enge und direkte Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten notwendig. Zum einen geht es darum zu verhindern, dass sich Menschen aus Ländern wie Marokko auf den Weg nach Europa machen. Zum anderen, dass die Rückführungen und Abschiebungen konsequenter und rascher durchgeführt werden."
Österreich sei von illegaler Migration und den "brutalen Machenschaften der Schleppermafia" besonders betroffen, teilte das Innenministerium mit. In Österreich hätten alleine im Jänner 2023 mehr als 1.300 Menschen aus Marokko einen Asylantrag gestellt. Das sind etwa 28 Prozent aller Asylanträge in diesem Monat in Österreich. "Etwa 90 Prozent der Menschen aus Marokko, die einen Asylantrag in Österreich stellen, begeben sich in die Fänge der brutalen Schleppermafia und somit der organisierten Kriminalität."
Arbeitsgruppe zu Schleppereibekämpfung zwischen Österreich und Marokko geplant
In einem bilateralen Gespräch zwischen Karner und Laftit sei eine Intensivierung der Kooperation zur raschen Rückführung von illegal Aufhältigen sowie im Kampf gegen die weltweit agierende Schleppermafia festgelegt worden. Zusätzlich zur Arbeitsgruppe, die regelmäßig, zumindest alle drei Monate zusammentreffen soll, ist auch die Reise einer österreichischen Experten-Delegation geplant. Die Experten im Bereich der Schleppereibekämpfung unter Führung von Gerald Tatzgern, dem Leiter der Abteilung Schleppereibekämpfung im Bundeskriminalamt, soll in den nächsten Wochen nach Marokko reisen.
Eine Kooperation soll es auch zwischen den Sicherheitskräften geben. So wurde etwa zwischen der marokkanischen Sicherheitsdirektion, der royalen Gendarmerie und dem österreichischen Innenministerium die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Bereich Polizeihunden und Trainings vereinbart.
EU verhandelt mit Marokko seit Jahren über Abkommen zu abgelehnten Asylwerbern
Marokko zählt zu jenen Staaten, mit denen die Europäische Union seit Jahren erfolglos über ein Rückübernahmeabkommen für abgelehnte Asylwerber verhandelt. Österreich ist laut Bundeskanzleramt auf Platz 1 der Zielländer von marokkanischen Staatsbürgern innerhalb der EU. 2022 wurden demnach innerhalb der EU rund 22.000 Asylanträge aus Marokko verzeichnet, 39 Prozent davon in Österreich (8.470 Anträge). Sie gelangen offenbar über die Türkei, die Marokkanern eine visafreie Einreise ermöglicht, und die sogenannte Balkanroute nach Österreich. Die meisten reisen weiter - laut Medienangaben meist nach Deutschland, Frankreich oder Spanien. Nur wenige hundert sind in der österreichischen Grundversorgung.
Wirtschaftliche Delegation begleitet Nehammer bei Staatsbesuch in Marokko
Begleitet wird Nehammer außerdem von Außenamts-Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal und einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation. Am Mittwochnachmittag ist ein Betriebsbesuch bei der österreichischen Firma Hirschmann Automotives geplant. Das Unternehmen stellt in Marokko elektronische Bauteile für die Automobilindustrie her und beschäftigt mehr als 2.000 Mitarbeiter vor Ort.
"Neben sicherheitspolitischen Fragen ist Marokko gerade auch für wirtschaftliche Kooperation ein wichtiger Partner mit viel Potenzial", sagte Nehammer nach Angaben seiner Sprecherin. "Darüber hinaus wird Marokko in der Frage der Energieversorgung der Zukunft in Bezug auf Wasserstoff künftig immer wichtiger werden." In Marokko entsteht derzeit außerdem ein riesiges Sonnen- und Windkraftwerk, das über ein Untersee-Stromkabel mit Großbritannien verbunden werden soll, um dort ab dem Jahr 2030 den Energiebedarf von sieben Millionen Haushalten zu decken.
Die österreichischen Exporte nach Marokko stiegen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 37,7 Prozent und erreichten 179,9 Mio. Euro. Das Handelsvolumen betrug in dem Jahr 366,4 Mio. Euro. Marokko ist das erste Land, das mit der EU eine Absichtserklärung über eine "Grüne Partnerschaft" unterzeichnet hat. Dabei geht es um Klima- und Energiefragen, Umwelt inklusive marine und maritime Fragen sowie die Grüne Wirtschaft. Diese Initiative solle auch Modellpartnerschaft für weitere Kooperationen mit afrikanischen Staaten werden.
"Nordafrika ist ein wichtiger geostrategischer Partner der Europäischen Union", betonte Nehammer. "Österreich setzt sich als Brückenbauer für eine Stärkung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen ein."
240. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Marokko
Österreich gehört zu den ersten Ländern, mit denen Marokko formell diplomatische Beziehungen aufgenommen hat. Vor 240 Jahren, am 28. Februar 1783, hatten Marokko und das Habsburgerreich diese aufgenommen, indem Mohamed Ben Abdelmalek als Botschafter des damaligen Sultans Moulay Mohamed III. sein Beglaubigungsschreiben an Kaiser Joseph II. in Wien überreichte. Es folgte ein Freundschaftsvertrag, der unter anderem Handelserleichterungen vorsah. 1829 kam es aber zu kriegerischen Auseinandersetzungen, als die österreichische Kriegsmarine die Kaperung eines Handelsschiffes mit den Bombardements von drei marokkanischen Handelshäfen beantwortete. Ende des 19. Jahrhunderts beteiligte sich Österreich-Ungarn an der europäischen Großmachtpolitik in Marokko, das zum Protektorat Frankreichs und Spaniens geworden war. Im Zweiten Weltkrieg kämpften zahlreiche Marokkaner in den Einheiten der französischen Armee für die Befreiung Österreichs und waren dann auch Teil der Besatzungstruppen in Tirol und Vorarlberg.
Die französische Bevormundung konnte Marokko erst Mitte der 1950er Jahre abschütteln. Seit Mitte der 1960er Jahre ist Österreich wieder mit einem Botschafter in Rabat vertreten. Marokko eröffnete 1981 eine Botschaft in Wien. Rund 200 Auslandsösterreicher leben in Marokko. Besucht wir das Land auch durch mehrere Tausend österreichische Touristen im Jahr.
Einst selbst Opfer von Kolonialherrschaft, hatte sich Marokko Mitte der 1970er-Jahre die von den spanischen Kolonialherren verlassene Westsahara einverleibt. Bemühungen der Vereinten Nationen, dem saharauischen Volk die Selbstbestimmung zu ermöglichen, verlaufen seit Jahrzehnten im Sande.
Marokko nahm 2020 diplomatische Beziehungen zu Israel auf
Seine internationale Stellung konnte Marokko in den vergangenen Jahren festigen, indem es 2020 volle diplomatische Beziehungen mit dem Staat Israel aufnahm. Dem Regime von König Mohammed VI. wird indes vorgeworfen, zu wenig für die Armutsbekämpfung im Land zu tun. Im Westen ist der seit dem Jahr 1999 autoritär herrschende Monarch wohlgelitten, weil er gegen islamischen Fundamentalismus auftritt und sich auch als Partner im Kampf gegen illegale Migrationsströme offeriert.
(APA/Red)